In Burkina Faso, Mali, Niger und Nigeria haben über 55 Prozent der Überlebenden geschlechtsspezifischer Gewalt – die zu Jahresbeginn noch Unterstützung erhielten – aufgrund umfassender Hilfskürzungen keinen Zugang zu essentiellen humanitären Programmen.
In Ménaka, Mali, warten fast 90 Prozent der Betroffenen weiterhin auf vollständige Unterstützung.
In der Sahelzone und im Norden Burkina Fasos bleiben 52 Prozent der betroffenen Frauen und Mädchen ohne Versorgung; über 500 von ihnen drohen den Zugang zu Hygienekits, Aufklärung und individueller Unterstützung zu verlieren.
In Nigeria bleiben nach der Schließung von Programmen in den Bundesstaaten Borno, Adamawa, Katsina und Zamfara zwischen 42 Prozent und 67 Prozent der Fälle geschlechtsspezifischer Gewalt unbehandelt.
In Diffa und Tillabéri, Niger, werden 26 Prozent der Fälle geschlechtsspezifischer Gewalt nicht mehr aktiv betreut. In Balayera war IRC die einzige Organisation, die entsprechende Schutzprogramme anbot.
Dakar, Senegal, 3. Dezember 2025 — Laut einer von International Rescue Committee (IRC) durchgeführten Analyse hat mehr als die Hälfte aller Überlebenden geschlechtsspezifischer Gewalt nach dem vorläufigen vollständigen Stopp zentraler Hilfsmittel in Niger, Burkina Faso, Mali und Nigeria den Zugang zu humanitärer Hilfe verloren. Die Hilfskürzungen setzen Frauen und Mädchen einem deutlich erhöhten Risiko für Gewalt, Isolation und langfristige gesundheitliche und psychosoziale Folgen aus. IRC fordert die internationale Gemeinschaft dringend auf, die Finanzierung für Hilfsorganisationen, die mit Überlebenden geschlechtsspezifischer Gewalt arbeiten, deutlich zu erhöhen.
Viele Überlebende hatten zuvor Zugang zu Schutzräumen, medizinischer Notversorgung, psychosozialer Betreuung sowie rechtliche Unterstützung. Trotz anhaltender Bedrohungen und Traumata stehen zahlreiche dieser Programme nun nicht mehr zur Verfügung.
Je nach Land war die Programmarbeit zwischen drei und fünf Monaten vollständig geschlossen. Auch nach der teilweisen Wiederaufnahme sind weniger als 55 Prozent der Fachkräfte im Bereich geschlechtsspezifische Gewalt wieder im Einsatz– mit gravierenden Folgen für die Versorgungslage.
Safiatou*, die in Ost-Mali den Zugang zu IRC-Programmarbeit für gefährdete Frauen verlor, teilt mit: „Mit dem Ende des Projekts fühle ich mich isoliert. Ich behalte meine Probleme für mich, denn dieses Projekt war etwas Besonderes. Es gab uns die Möglichkeit, unsere Ängste und Sorgen in Gesprächsrunden und durch Sensibilisierungsmaßnahmen zu teilen. Das Team ging immer auf unsere Anliegen ein – sie waren wie Ärzt*innen für uns Frauen.“
Yolande Longang, Technische IRC-Beraterin für Schutz und Teilhabe von Frauen in Westafrika, sagt: „Mit der Schließung der Programme wurden Überlebende im Dunkeln gelassen. Ohne medizinische Notversorgung und emotionale Unterstützung mussten sie ihre Traumata alleine bewältigen. In Gebieten, ohne umfassende Schutzprogramme gibt –medizinisch, psychosozial, rechtlich oder gemeinschaftsbasiert – blieb ihr Leid unsichtbar und unbehandelt.
Selbst nach der Wiederaufnahme stand vielerorts nur ein Bruchteil der notwendigen humanitären Hilfe zur Verfügung. Das Fallmanagement konnte nur teilweise wiederhergestellt werden, und die Unterstützung beschränkte sich auf die dringlichste klinische Versorgung bei sexueller Gewalt oder akuter Lebensgefahr. Viele andere Überlebende erhielten keinerlei Hilfe – darunter Mädchen, die von Zwangsheirat bedroht sind, und Frauen, die Gewalt durch ihre Partner erfahren.“
Humanitäre Akteure sehen sich gleichzeitig mit massiven Hilfskürzungen, administrativen Hürden und Sicherheitsrisiken konfrontiert. Zahlreiche Fälle können daher nicht weiter betreut werden. Lokale Organisationen sind zwar geschult, verfügen jedoch nicht über ausreichende Ressourcen. Staatliche Strukturen sind chronisch unterfinanziert und können den steigenden Bedarf nicht auffangen.
Ohne rasche Maßnahmen zur Wiederherstellung von Hilfsmitteln oder zur Mobilisierung alternative Hilfsleistungen drohen wichtige Fortschritte verloren zu gehen – von der Sicherung ausreichender Personalressourcen über die Einhaltung von Schutzstandards bis hin zur Anerkennung von geschlechtsspezifischer Gewalt als Menschenrechtsverletzung und die Rolle von Frauen und Mädchen als gleichberechtigte Akteurinnen. Die anhaltenden Kürzungen der Entwicklungszusammenarbeit belasten lokale Organisationen und dezentrale Systeme in beispiellosem Ausmaß.
Eine langfristige und verlässliche Finanzierung ist dringend erforderlich, um internationale wie lokale Organisationen in der Arbeit gegen geschlechtsspezifische Gewalt zu stärken und die wachsende Finanzierungslücke beim Schutz von Frauen und Mädchen zu schließen. Die Prävention und Bewältigung geschlechtsspezifischer Gewalt sind überlebenswichtig und müssen in allen humanitären Maßnahmen verankert sein.