Schwere Angriffe in der Ukraine treffen die Zivilbevölkerung und gefährden humanitäre Helfende

  • Aufgrund der massiven Angriffe auf mehrere ukrainische Städte stockt IRC die finanzielle Hilfe für die betroffenen Menschen auf und leistet rechtliche und psychologische Unterstützung vor Ort.
  • Die Temperaturen vor Ort sinken weiter und die Lieferung von Hilfsgütern wird durch den ständigen Beschuss stark erschwert. Berichten zufolge wurden seit dem 29. Dezember 2023 bei Luftangriffen im ganzen Land mindestens 70 Zivilist*innen getötet und mindestens 360 verletzt.
  • Unzählige Menschen in der Ukraine haben derzeit keinen Zugang zu Wasser und Strom. Nach offiziellen Angaben haben aufgrund von Beschädigungen der Energieinfrastruktur über 440 Städte und Dörfer keinen Strom.
Lies unsere Pressemitteilung vom 22. Februar

Die Krise im Überblick

Millionen Menschen mussten ihr Zuhause in der Ukraine verlassen und sind seitdem auf humanitäre Hilfe angewiesen. Der Krieg hat die größte und am schnellsten anwachsende Fluchtbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst. Bisher sind 6 Millionen Menschen in die Nachbarländer geflohen. Weitere Millionen Frauen, Männer und Kinder sind im eigenen Land vertrieben worden und benötigen ebenso dringend humanitäre Unterstützung. Viele von ihnen sind vollkommen auf sich gestellt, haben keine Unterkunft oder können das Land aufgrund der anhaltenden Gewalt nicht verlassen. Brücken, Straßen und Fluchtkorridore sind zerstört. Es gibt für sie kaum Hilfe oder Informationen, wo sie Schutz und Zuflucht finden können.

Was hat die aktuelle Krise in der Ukraine ausgelöst?

Am 24. Februar 2022 hat Russland einen Militäreinsatz in der Ukraine eingeleitet. Bomben und Artillerie beschädigen und zerstören seitdem Häuser, Schulen, Krankenhäuser und andere zivile Infrastruktur.

Innerhalb der Ukraine sind 3,7 Millionen Menschen vertrieben worden, weitere sechs Millionen sind auf der Suche nach Schutz in Nachbarländer geflohen.

Mit dem Ende der Sowjetunion wurde die Ukraine 1991 ein unabhängiger Staat. Seitdem baut das Land engere Verbindungen zur Europäischen Union und der NATO auf. Russland betrachtet dies als eine wirtschaftliche und strategische Bedrohung.

Die Eskalation der Spannungen folgte jedoch auf eine bereits bestehende humanitäre Krise. Bereits 2014 ist Russland auf ukrainischem Territorium aktiv und annektierte im gleichen Jahr die Halbinsel Krim. Seitdem unterstützt Russland pro-russische Separatisten im Osten des Landes. Infolge der gewaltsamen Auseinandersetzungen starben bis 2022 bereits über 3.000 Menschen in der Region. Mehr als 850.000 Menschen mussten fliehen und mehr als drei Millionen sind seitdem auf humanitäre Hilfe angewiesen.

Was sind die größten humanitären Herausforderungen in der Ukraine?

Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine hat im Europa des 21. Jahrhunderts eine menschliche Notlage ausgelöst: unschuldige Frauen, Männer und Kinder wurden getötet, lebensnotwendige Infrastruktur zerstört und eine massive Fluchtbewegung innerhalb der Ukraine sowie in Nachbarländer ausgelöst.

Fast 18 Millionen Menschen in der Ukraine sind auf humanitäre Hilfe angewiesen.

Mit der anhaltenden Gewalt ist das Leben derjenigen, die in der Ukraine geblieben sind, akut bedroht. Ohne Heizung, Strom und sauberes Wasser sind die Bedingungen für alle Schutzsuchende kaum zu ertragen. Zudem verschlimmern kalte Wintermonate die humanitäre Lage im Land. Familien versuchen sich inmitten zerstörter Gebäude und Heizungsanlagen warm zu halten, während die Temperaturen regelmäßig unter den Gefrierpunkt fallen. Bomben und Artillerie haben Straßen und Brücken zerstört und hindern die Bevölkerung daran, sich Nahrungsmittel und andere lebensnotwendige Güter zu besorgen.

 

„In den abgelegenen Regionen, die wieder von der ukrainischen Regierung kontrolliert werden, sehen wir erschütternde Bilder der Zerstörung und sprechen mit Menschen, die seit über einem Jahr ohne Heizung oder Strom leben. Sie haben sich in ihren Kellern verschanzt, wenn die Schüsse in der Nähe ihrer Häuser fielen", erklärt Bob Kitchen, IRC-Vizepräsident für Notfälle. „Eine Familie, die wir in einem der Dörfer besuchten, stand vor der herzzerreißenden Wahl, ihre schwer kranke Mutter entweder unterirdisch unterzubringen, wo sie vielleicht vor Kälte gestorben wäre oder zu hoffen, dass sie den Beschuss in ihrem eigenen Bett überleben würde.

 

Innerhalb der Ukraine sind 7 Millionen Menschen vertrieben worden, weitere 7,2 Millionen sind auf der Suche nach Schutz in Nachbarländer geflohen. Die meisten der Geflüchteten sind Frauen und Kinder. Sie sind in dieser Krise am stärksten von Ausbeutung und Gewalt bedroht.

Über 1000 Angriffe auf medizinische Einrichtungen und 2500 Angriffe auf Schulen und andere Infrastrukturen stellen schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht dar. Millionen von Menschen sind durch den Krieg traumatisiert und haben keinen Zugang zu psychosozialer Unterstützung.

Die Erfahrung von IRC zeigt, dass sich Infektionskrankheiten wie Cholera ausbreiten und Menschen an vermeidbaren Krankheiten sterben, wenn sie in Krisengebieten eingeschlossen sind und keinen Zugang zu sauberen Sanitäreinrichtungen haben.

Außerhalb der Ukraine

Der Krieg in der Ukraine hat auch weitreichende humanitäre und destabilisierende Auswirkungen auf Europa und die Welt. Vor allem die Nachbarländer der Ukraine tragen eine schwere Last. Besonders betroffen sind derzeit Lieferungen von Weizen und anderen Grundnahrungsmitteln aus der Ukraine in Länder wie Jemen, Libyen und Libanon, wo sie von den dortigen Bevölkerungen dringend benötigt werden. Dort droht den Menschen bereits jetzt schon akut Hunger.

Wie ist die Situation für Geflüchtete aus der Ukraine?

Der Angriff auf die Ukraine hat weltweit die größte Fluchtbewegung ausgelöst und der anhaltende Krieg zwingt weiterhin Menschen – die meisten Frauen, Kinder und ältere Menschen – das Land zu verlassen und in Polen, Moldau oder anderen Europäischen Staaten Schutz zu suchen. Frauen und Kinder, insbesondere unbegleitete, sind verstärkt dem Risiko von Ausbeutung und Missbrauch, sexualisierter Gewalt und Menschenhandel ausgesetzt.

Mehr als 6 Millionen Menschen sind seit dem 24. Februar aus der Ukraine geflohen. Dabei suchten bisher 1 Millionen Geflüchtete Zuflucht in Polen.

Noch immer kommen zahlreiche Menschen an die Grenzen zu Polen, Rumänien, Ungarn, Slowakei und Moldau, die nur das Nötigste mit sich tragen.

Aus diesem Grund besteht ein dringender Bedarf an Nahrung und Wasser sowie an Erster Hilfe, Toiletten und psychologischer Unterstützung. Während grundlegende humanitäre Bedürfnisse wie Nahrung und Schutz weitgehend erfüllt werden, sind zusätzliche Integrationsunterstützung wie Arbeitsmöglichkeiten, langfristige Unterkünfte und Sprachkurse erforderlich, um den Geflüchteten beim Wiederaufbau ihrer Existenzgrundlage zu helfen.

Wie hilft IRC in der Ukraine und in Polen?

In der Ukraine arbeiten wir gemeinsam mit lokalen Partnerorganisationen, um vertriebene Menschen zu unterstützen. Unsere Hilfe umfasst:

  • Bargeldhilfe, damit die Menschen selbst entscheiden können, was sie am dringendsten benötigen,
  • Bereitstellung von Hygiene-Paketen für Frauen und heranwachsenden Mädchen sowie psychosoziale Unterstützungs-Kits für Kinder,
  • Schutzleistungen, einschließlich der Einrichtung von „Safe Healing and Learning Spaces" für Kinder, Dienste gegen geschlechtsspezifische Gewalt und Frauenzentren sowie Rechtsberatung für Menschen, deren Häuser durch Luftangriffe beschädigt wurden,
  • Unterstützung von überlasteten Gesundheitseinrichtungen mit dringend benötigten Hilfsgütern und einem mobilen Gesundheitsteam,
  • Versorgung der Familien mit Gasöfen, warmen Decken und Stromspeichern vor der kalten Winterzeit.

Mit einer Förderung von Google.org unterstützt IRC United for Ukraine. Dabei handelt es sich um ein Informationsportal und eine zivilgesellschaftliche Initiative, die Vertriebenen hilft, Zugang zu wichtigen Dienstleistungen zu erhalten. Die Initiative ist Teil des Signpost-Projekts von IRC, einem globalen humanitären Technologieprogramm, das in 15 Ländern tätig ist. Es hilft Geflüchteten, Ressourcen zu finden, um ihren dringenden Bedarf zu decken.

IRC hat bis September 2023 über 860.000 Menschen vor Ort in der Ukraine sowie über unsere Online-Dienste erreichen können.

In Polen unterstützen wir mit Partnerorganisationen Geflüchtete und Familien, die Geflüchtete aufgenommen haben sowie die offiziellen Empfangszentren an der polnisch-ukrainischen Grenze. Weiterhin umfassen unsere Dienstleistungen:

  • Einrichtung von zwei Livelihood-Zentren in Posen und Katowice mit Kinderbetreuungsprogrammen zur Entlastung arbeitssuchender Eltern,
  • Beratung in Rechtsfragen und die verfügbaren Hilfsangebote sowie persönliche und psychologische Fernbetreuung durch ausgebildete Psycholog*innen,
  • Vermittlung von Integrationshelfenden für Kinder in Klassenzimmern,
  • Übersetzung in Gebärdensprache für gehörlose Schutzsuchende aus der Ukraine,
  • Unterstützung von Frauen, die vom Krieg in der Ukraine betroffen sind, damit sie in speziell eingerichteten sicheren Unterkünften Zuflucht finden.

In Moldawien arbeiten wir mit lokalen Partnern zusammen, um ukrainischen Geflüchteten dabei zu helfen, ihre Bildung, Gesundheit, Sicherheit, ihren Zugang zu rechtlichen Informationen und ihre finanzielle Situation zu verbessern. Dazu gehören:

  • Unterstützung der Kinder bei der Integration in die lokalen Schulen, indem wir den Zugang zu Healing Classrooms, Nachhilfeunterricht und gemeinschaftlich organisierten und außerschulischen Aktivitäten ermöglichen,
  • Vermittlung von medizinischen Diensten, Versorgungsleistungen, Gutscheinen für Dienstleistungen, Unterstützung für Vertriebene, die medizinische Hilfe benötigen
  • Behandlung unmittelbarer Schutzbedürfnisse und Gewährleistung eines sicheren Zugangs zu Dienstleistungen in der Republik Moldau - einschließlich der Einrichtung sicherer Räume für vertriebene Frauen, Kinder und Familien,
  • Bereitstellung von psychischer und psychosozialer Unterstützung.

IRC reagiert auf die Krise und unterstützt ukrainische Geflüchtete in Rumänien, Ungarn, der Slowakei, Tschechien und Bulgarien sowie in Deutschland, Italien, Griechenland, den USA und dem Vereinigten Königreich. Beispielsweise unterstützen wir Menschen aus der Ukraine bei der beruflichen Integration in den deutschen Arbeitsmarkt sowie zum Leben in Deutschland.

Die humanitären Bedürfnisse erfordern eine konsequente weltweite Solidarität. Da die anfängliche Reaktionsbereitschaft nachlässt, muss die internationale Gemeinschaft ihre Bemühungen verstärken. Sie muss in dauerhafte Lösungen investieren. Nur so kann sichergestellt werden, dass Geflüchtete in der Lage sind, bewusste Entscheidungen über ihre Zukunft zu treffen und diejenigen zu schützen, die sich noch in der Ukraine befinden.

Rescue stories

Ich hatte nach einer Möglichkeit gesucht, mich zu integrieren und dieses Programm bot viele Informationen und Unterstützung. Tania, die das Projekt durchführt, hat mir bei verschiedenen beruflichen Fragen sehr geholfen.
Hanna Projekt Anknüpfen
Hanna, die in der Ukraine auch als Projekt-Mediatorin und Psychologin gearbeitet hat, nahm die Herausforderung des IRC-Projektes an.
Einblicke in Hannas Arbeit
Hanna
Teilnehmerin, Psychologin und Trauma-Therapeutin