Syrien erlebt die Folgen des Erdbebens und das vierzehnte Jahr des Konflikts

  • Der anhaltende Konflikt hat zu wirtschaftlicher Not, der Zerstörung der Grundversorgung und der Infrastruktur sowie zum jüngsten Cholera-Ausbruch geführt.
  • Hinzu kommt das Erdbeben vom letzten Monat, das Tausende obdachlos werden ließ und weitere Schäden an Einrichtungen, Infrastruktur, Häusern und Lebensgrundlagen verursachte.
  • Trotzdem klaffte 2022 die größte Finanzierungslücke für den humanitären Reaktionsplan für Syrien seit Beginn des Konflikts, da nur 49 % des Bedarfs gedeckt wurden.
Lies unsere Pressemitteilung vom 5. Juli

Länder-Fakten

  • Bevölkerung: 21,7 Millionen
  • Intern und extern Vertriebene: 12,3 Millionen
  • Position im Index der menschlichen Entwicklung: 151 von 191

IRC vor Ort

  • Beginn der Aktivitäten: 2012
  • Versorgte Menschen: etwa 1,2 Millionen (2021)

Überblick

Durch den Bürgerkrieg in Syrien benötigen 12 Millionen Menschen Unterstützung. Fünf Millionen von ihnen sind besonders dringend auf Hilfe angewiesen. Die Vereinten Nationen schätzen, dass seit 2011 über 400.000 Menschen getötet wurden, andere Quellen gehen sogar von mehr als 500.000 Todesopfern aus. Die überwiegende Mehrheit der syrischen Bevölkerung lebt in Armut, viele sind aus ihren Häusern vertrieben oder leben unter prekären Bedingungen in ihren zerstörten Gemeinden. Koordiniert von Teams aus dem Irak und Jordanien bietet IRC Notfallhilfe und langfristige Unterstützung für die Betroffenen.

Wie ist die aktuelle Krise in Syrien entstanden?

Seit 2011 ist die syrische Gesellschaft aufgrund der gewalttätigen Auseinandersetzungen stark zerrissen, was zu einer der größten humanitären Krisen des 21. Jahrhunderts geführt hat. Millionen von Menschen sind in die Nachbarländer geflohen. Auf dem Höhepunkt der Feindseligkeiten entschieden sich viele Syrer*innen, ihr Leben auf der Suche nach Sicherheit und Chancen in Europa zu riskieren.

Anfang Februar 2023 erschütterte ein verheerendes Erdbeben die Gemeinden im Norden Syriens und traf eine große Zahl besonders betroffener Menschen, die sich nach der Vertreibung durch den Konflikt in der Region niedergelassen hatten.

Was sind die größten humanitären Herausforderungen in Syrien?

Seit 2011 haben die Kämpfe in Syrien zur Zerstörung von Häusern, Schulen und Krankenhäusern geführt. Dazu gehören Einrichtungen, die IRC unterstützt hat. Außerdem wurden lebenswichtige zivile Infrastrukturen und Versorgungssysteme wie Wasser-, Abwasser- und Stromsysteme zerstört.

6,7 Millionen Menschen sind immer noch innerhalb Syriens vertrieben und 15,3 Millionen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Viele Zivilist*innen leben in anhaltenden Konfliktgebieten und wurden mehrfach vertrieben. Frauen und Kinder sind besonders gefährdet. Durch den Konflikt sind sie Sicherheitsrisiken ausgesetzt wie sexuelle Gewalt, (frühe) Zwangsheirat, Kinderarbeit sowie körperliche und geistige Traumata.

Syrien ist außerdem das gefährlichste Land der Welt für humanitäre Helfer*innen. Angriffe auf Helfer*innen, Zivilist*innen, Häuser und Krankenhäuser passieren jeden Tag. Das Gesundheitssystem wurde stark strapaziert, sodass Syrien die Herausforderung der COVID-19-Pandemie und dem ersten Cholera-Ausbruch seit einem Jahrzehnt kaum bewältigen kann.

Wie hilft IRC in Syrien?

IRC hat mehr als 1.000 Mitarbeitende in Syrien, die lebensrettende medizinische Versorgung, Schutz und gezielte Unterstützung für die betroffenen Gemeinschaften leisten. Als Reaktion auf das verheerende Erdbeben leiten wir eine umfassende Hilfsmaßnahme zur Unterstützung der betroffenen Gemeinschaften ein.

Diese Maßnahme baut auf die bestehenden Syrien-Programme von IRC auf, mit denen wir seit 2012 Gemeinschaften im Nordwesten und Nordosten des Landes unterstützen. Aufgrund von Gewalt, Vertreibung, Armut, COVID-19 und dem jüngsten Erdbeben, das Syrien erschüttert, verstärkt IRC seine Unterstützung durch:

  • Versorgung der vom Erdbeben betroffenen Gemeinden mit dem notwendigen Bedarf an Decken und Handtüchern sowie mit Hygieneartikeln wie Seife und Hygieneartikeln für Frauen;
  • Unterstützung wichtiger medizinischer Versorgung in den betroffenen Erdbebengebieten;
  • Zusammenarbeit mit lokalen und Diaspora-Gruppen, um den Nachschub von Medikamenten, Hilfsgütern und Ausrüstung zu gewährleisten;
  • Bekämpfung von Cholera und COVID-19 durch die Förderung von Aufklärungskampagnen, Ausbildung von Gesundheitspersonal im Umgang mit Infektionskrankheiten und deren Eindämmung;
  • Soforthilfe in Form von Bargeld und Nahrungsmitteln, so dass vertriebenen und vom Erdbeben betroffenen Familien ihren unmittelbaren Bedarf decken können;
  • Gesundheitszentren und mobile Teams, die lebensrettende Dienste zur Bewältigung von Traumata anbieten und Primär- und Reproduktionsversorgung, Dialyse sowie lebenswichtige Medikamente zur Verfügung stellen;
  • Integration von Maßnahmen zur psychischen Gesundheit in die Grundversorgung;
  • Lernmöglichkeiten, Beratung und Schutz für Tausende von Kindern in Lagern und Gemeinden;
  • Sichere Räume für Frauen und Mädchen, die Dienste für Überlebende von Gewalt sowie Beratung und Berufsqualifizierungen anbieten;
  • Unterstützung frühkindlicher Entwicklung um die schädlichen Auswirkungen von Stress und Traumata zu mildern, die durch die Krise und Vertreibung verursacht werden
  • Förderung der wirtschaftlichen Stabilität der Haushalte durch Aus- und Fortbildungsangebote und die Unterstützung kleiner Unternehmen.

„Straßen und Infrastrukturen wie Brücken wurden beschädigt, so dass es wahrscheinlich schwierig sein wird, die Betroffenen mit Lieferungen zu versorgen", erklärt Tanya Evans, IRC-Landesdirektorin für Syrien. „Schon vor den Erdbeben war der Zugang für humanitäre Hilfe im Nordwesten Syriens erschwert, da die meisten Hilfsgüter über einen Grenzübergang mit der Türkei eintrafen. In dieser Zeit des erhöhten Bedarfs ist es von entscheidender Bedeutung, dass auch die Zahl der Hilfsgüter, die über den Grenzübergang kommen, schnell zunimmt."

Welche weiteren Maßnahmen plant IRC in Syrien?

Mehr als die Hälfte aller Syrer*innen wurde im vergangenen Jahrzehnt innerhalb Syriens vertrieben oder zur Flucht ins Ausland gezwungen. Damit gilt der Konflikt in Syrien heute als größte Vertreibungskrise der Welt. Außerdem steht das Land am Rande des wirtschaftlichen Zusammenbruchs, da 75 % der Bevölkerung nicht in der Lage sind, ihre Grundbedürfnisse zu decken.

„Viele Menschen im Nordwesten Syriens wurden bis zu 20 Mal vertrieben. Und da die Gesundheitseinrichtungen überlastet sind, hatten viele schon vor dieser Tragödie keinen Zugang zu der medizinischen Versorgung, die sie so dringend benötigen. IRC-Teams sind vor Ort und arbeiten unermüdlich daran, die Sicherheit und das Wohlergehen unserer Mitarbeiter,*innen der lokalen Partnerorganisationen und der betroffenen Menschen zu gewährleisten benötigen", sagt Tanya Evans nach dem Erdbeben im Februar.

Unsere Arbeit vor Ort ist jetzt wichtiger denn je. IRC verpflichtet sich, den am stärksten von der Krise betroffenen Menschen zu helfen. Sie sollen spür- und messbare Verbesserungen in den Bereichen Schutz, Gesundheit und wirtschaftliche Unabhängigkeit erfahren.

IRC wird weiterhin vertriebene Syrer*innen und die Aufnahmegemeinschaften unterstützten und sich dabei besonders auf die Bedürfnisse von Frauen und Kindern konzentrieren. Die Programme der Organisation sollen auch die Menschen in den gefährlichsten und entlegensten Gebieten erreichen.

IRC wird auch weiterhin syrische Geflüchtete in den Nachbarländern unterstützen. Unsere Teams und Partner erreichen derzeit über 1,2 Millionen Menschen innerhalb Syriens und in den Nachbarländern Jordanien, Irak und Libanon mit lebensrettender Unterstützung. In den nächsten Jahren werden wir uns auf die folgenden Bereiche konzentrieren:

Schutz

Menschen sollten in ihrem Zuhause und ihren Gemeinden geschützt sein und Unterstützung erhalten, wenn sie gefährdet sind. Besonders Frauen und Kinder sollten in Schulen, zu Hause und am Arbeitsplatz sicher sein.

IRC ist weltweit eine der führenden Hilfsorganisationen im Bereich Schutz und darauf spezialisiert, Sicherheitsrisiken in Notunterkünften sowie ländlichen und städtischen Gemeinschaften aufzuzeigen und zu minimieren. Überlebende von Missbrauch erhalten Zugang zu sicheren Orten oder werden über mobile medizinische Teams und mobile Beratungsstellen für Frauen und Mädchen versorgt.

Diese beobachten und melden gefährliche Situationen und Rechtsverletzungen Zuhause und in den Gemeinden. Durch Krieg und Vertreibungen haben viele Menschen ihre Dokumente verloren. IRC hilft ihnen, neue Papiere zu bekommen. So können die Betroffenen wieder reisen und wichtige Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Ein Schwerpunkt liegt auf der Unterstützung von Haushalten, die von Frauen geführt werden.

Bildung

IRC bildet Lehrkräfte fort, damit diese Schüler*innen mit Fluchterfahrung besser unterstützen können. Eltern und andere Bezugspersonen werden fortgebildet, ihre Kinder trotz Konflikt und Stress altersgerecht zu erziehen.

Gesundheit

Die Bevölkerung sollte vor Krankheiten geschützt werden und bei Bedarf medizinische Hilfe erhalten. IRC wird weiterhin mit lokalen medizinischen Fachkräften zusammenarbeiten, um unser Netzwerk aus stationären und mobilen Gesundheitsdiensten weiter auszubauen. Die Teams werden auch weiterhin lebensrettende Notfallhilfe, sichere Schwangerschaften und Geburten gewährleisten und unter schwierigsten Bedingungen wesentliche Grundversorgung anbieten und chronische Krankheiten behandeln.

Wirtschaftliche Unabhängigkeit

Menschen sollen über die nötigen Mittel verfügen, um ihre Grundbedürfnisse zu decken. Sie sollten selbstständig Geld verdienen und sparen können. Und sie sollten Zugang zu Nahrung, Wasser und Unterkünften finden, ohne sich verschulden zu müssen. Außerdem fördern wir den langfristigen wirtschaftlichen Wiederaufbau durch Berufsausbildung, Lehrstellen und Unterstützung von Kleinunternehmen.

Mit unserem Einsatz für die Gschlechtergleichstellung werden wir auch Frauen und Mädchen helfen, den gleichen Erfolg zu erzielen wie Männer und Jungen.

Wie bei all unseren Bemühungen wird IRC danach streben, mehr Menschen schneller zu erreichen, die Wirksamkeit unserer Arbeit zu erhöhen, den Anliegen der von unserer Arbeit Betroffenen Gehör zu schenken und uns für die Ergebnisse verantwortlich zu machen.

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