Am Samstag, dem 15. April 2023, brachen in Khartum/Sudan, Kämpfe zwischen den sudanesischen Streitkräften (SAF) und den Rapid Support Forces (RSF) aus. Bei den Zusammenstößen kamen 100 Menschen ums Leben und fast 1.100 wurden verletzt.

Bei einem anderen Angriff im Land wurden in Darfur vier humanitäre Helfer*innen getötet und zwei weitere schwer verletzt. Das Büro des International Rescue Committee (IRC) in Khartum wurde von Schüssen getroffen.

Infolgedessen hat IRC seine Tätigkeit im ganzen Land eingestellt. Ausgenommen ist das Flüchtlingslager Tunaydbah im Bundesstaat Gedaref, wo IRC weiterhin mit lebensrettenden Maßnahmen für die geflüchtete Bevölkerung tätig ist. 

„Unsere Mitararbeiter*innen an den Grenzen zu Sudan haben von Tausenden von Geflüchteten berichtet, die in notdürftigen Zelten leben und nur begrenzten Zugang zu sauberem Wasser und sanitären Einrichtungen haben”, sagt IRC-Vizepräsident für Ostafrika Kurt Tjossem. „Aktuell versuchen wir, sie in benachbarte Lager zu verlegen, die schon länger Bestand haben, aber dieses Vorhaben erweist sich durch diese große Zahl an Menschen als sehr schwierig. Je länger die Menschen unter diesen Bedingungen leben müssen, desto anfälliger werden sie für Krankheiten, Hunger und andere Notlagen sein.” 

Schätzungsweise 90.000 Menschen haben die Grenze zum Tschad überquert, wo Hilfsorganisationen, darunter IRC, Unterstützung in den Bereichen Gesundheit, Lebensmittelversorgung, sanitäre Einrichtungen und Schutz bieten.

„Der Tschad hat die Geflüchteten aus dem Sudan großzügig aufgenommen, ist aber selbst auf finanzielle Unterstützung angewiesen und von Krisen betroffen”, sagt David Miliband, IRC-Geschäftsführer und Präsident. „Wenn der Tschad nicht sofortige und umfangreiche wirtschaftliche Unterstützung von der internationalen Gemeinschaft erhält, wird das Land seine Großzügigkeit nicht lange aufrechterhalten können.”

In diesem Artikel erfahren Sie mehr über die Situation. 

Eine Frau aus dem Stamm der Beja in Port Sudan, der Hauptstadt des Staates am Roten Meer im Osten des Sudan.
Eine Frau aus dem Stamm der Beja in Port Sudan, der Hauptstadt des Staates am Roten Meer im Osten des Sudan.
Foto: Eric Lafforgue/Art in All of Us/Corbis via Getty Images

Womit sind die Menschen in Sudan heute konfrontiert?

Sudan befand sich bereits in einer humanitären Krise, die durch extreme Wetterbedingungen, soziale und politische Unruhen sowie steigende Lebensmittelpreise zu Armut, Hunger und Vertreibung führten.

Politische Spannungen und Instabilität

Seit dem Militärputsch im Oktober 2021 wird Sudan von einem Generalrat regiert. Angesichts des zunehmenden Misstrauens der Öffentlichkeit gegenüber dem Militär kündigte das sudanesische De-facto-Staatsoberhaupt im Juli 2022 an, dass er sich aus den politischen Verhandlungen zurückziehen und die Gründung eines Kabinetts aus Technokraten unterstützen werde. Der Auslöser für die derzeitigen Ausschreitungen ist jedoch eine Unstimmigkeit über die Einbindung der RSF in das Militär im Rahmen dieses Übergangs zu einer zivilen Regierung. 

Die derzeitige Gewalt hat die humanitäre Krise in Sudan stark verschärft und die Möglichkeiten der humanitären Organisationen, lebensrettende Hilfe zu leisten, eingeschränkt.

„Die Tötung von humanitären Helfer*innen und zahlreichen Sudanes*innen ist inakzeptabel”, sagt Tjossem. „IRC appelliert an alle Beteiligten, unverzüglich an einer Lösung der noch offenen Streitfragen zu arbeiten. Nur auf diese Art kann ein dauerhafter und umfassender politischer Frieden erreicht werden.” 

Anhaltende Konflikte zwischen den Volksgruppen 

Die andauernden Konflikte haben zu weiteren Vertreibungen und Unsicherheiten in den Grenzregionen Sudans geführt. Eingeschränkte staatliche Kontrolle und ungelöste lokale Streitpunkte über Land und natürliche Ressourcen in Darfur, Kordofan und Kassala führten im Jahr 2022 zu vermehrten Kämpfen.  

Durch die Zunahme der Konflikte im Bundesstaat Blue Nile wurden seit Juli 2022 97.000 Menschen vertrieben, während im Oktober in West-Kordofan 21.000 Menschen durch eine ähnliche Situation vertrieben wurden. 

Menschen im Lager Tunaydbah im Sudan sitzen auf Bänken, während ein Mann vor ihnen kniet
Politische Unruhen vertreiben die Menschen aus ihren Häusern und bringen sie an Orte wie das Lager Tunaydbah im Sudan, wo sie Zuflucht finden.
Foto: Khalid Alarabi/IRC

Klimawandel erhöht die Häufigkeit von Wetterextremen

In Sudan ist das Wetter wesentlich wärmer und trockener, die Regenzeiten werden kürzer, die Ernteerträge sinken und unregelmäßige Niederschläge erhöhen die Wahrscheinlichkeit von Überschwemmungen. Die meisten Sudanes*innen leben in ländlichen Gebieten und sind für den Anbau von Feldfrüchten und die Viehzucht auf Regen angewiesen. 

In der zweiten Jahreshälfte 2020 wurden mindestens 111.000 Häuser durch das Hochwasser zerstört oder schwer beschädigt, während die Zahl der betroffenen Menschen 770.000 überstieg. Fast 16.000 Latrinen wurden zerstört und der Zusammenbruch des Bout-Damms erschwerte den Zugang zu Wasser für mehr als 100.000 Menschen im Bundesstaat Blue Nile. Alle 18 Bundesstaaten des Landes waren betroffen. 

Ungewöhnlich heftige Regenfälle haben auch zur schlimmsten Wüstenheuschreckenplage geführt, die es seit Jahrzehnten am Horn von Afrika gegeben hat. Aufgrund von Ernteausfällen und dem Anstieg der Lebensmittelpreise wird es für Familien zunehmend schwieriger, ausreichend Nahrung für den täglichen Bedarf zu beschaffen.

Eine Frau geht in der Stadt Managil durch das Hochwasser
Eine Frau geht in der Stadt Managil im Bundesstaat al-Gezira in Ost-Zentral-Sudan durch das Hochwasser. Im Juli 2022 rief das Land aufgrund von Überschwemmungen in sechs Bundesstaaten, darunter auch am Nil, den Notstand aus.
Foto: Ebrahim Hamid/AFP via Getty Images

Zunehmende Wirtschaftskrise

Sudan ist mit einer Vielzahl wirtschaftlicher Probleme konfrontiert: eine hohe Inflationsrate, extrem niedrige Devisenreserven und die Aussetzung der Schuldenerlasssprogramme durch die internationale Gemeinschaft. Obwohl die Inflationsrate von 236,4 % im Jahr 2022 auf 115,7 % im Jahr 2023 sinken soll, spiegelt dies immer noch sehr schnell steigende Preise wider.

Sudan importiert 80 % seines Weizens aus Russland und ist daher besonders stark von den Auswirkungen des Krieges in der Ukraine betroffen. 39 Prozent der sudanischen Bevölkerung sind von extremer Ernährungsunsicherheit und Unterernährung betroffen,  was die Situation zu einer der schlimmsten Notlagen in der Welt macht.

Nach der Machtübernahme durch das Militär setzten die Geldgeber*innen das sudanesische Entschuldungsprogramm aus. Das bedeutet, dass eine Vereinbarung über den Erlass von 12.7 Mrd. € Schulden und die Streichung weiterer 8.2 Mrd. € nicht mehr umgesetzt werden wird.

Hinzu kommt, dass die Zusammenarbeit zwischen dem Internationalen Währungsfonds, der Weltbank und den derzeitigen Behörden stagniert. Der humanitäre Reaktionsplan der Vereinten Nationen für Sudan, der den humanitären Bedarf des Landes decken soll, ist nur zu 14 Prozent finanziert. Vor diesem Hintergrund dürfte sich die Wirtschaftskrise im Jahr 2023 weiter verschärfen: Die Lebensmittel- und Transportkosten könnten weiter steigen und es ist mit Engpässen bei der Lieferung von Medikamenten, Energie und Importgütern zu rechnen. 

Anstieg der Vertriebenen aus Äthiopien

Ein Monat nach Kriegsbeginn wurden fast eine Millionen Menschen seit Beginn des Krieges in Sudan vertrieben. Mehr als 700.000 Menschen wurden innerhalb des Landes vertrieben, während 200.000 weitere, in Nachbarländer wie den Tschad, Südsudan und die Zentralafrikanische Republik Zuflucht gesucht haben.

„Wenn Menschen vertrieben werden, sei es innerhalb eines Landes oder über die Grenzen hinweg, benötigen sie Unterstützung, da sie nur sehr wenig Vorräte mit sich führen.", sagt IRC-Notfalldirektor für Ostafrika Shashwat Sarif. Die aktuelle Krise hat zu einer akuten Knappheit von Nahrungsmitteln, Wasser, Medikamenten und Treibstoff geführt, wodurch die Preise für lebenswichtige Güter deutlich gestiegen sind."

Vor dem Ausbruch des Krieges in Sudan waren aufgrund des anhaltenden Konflikts in der Region Tigray mehr als 70.000 Geflüchtete über die äthiopische Grenze nach Sudan geflohen.

31 % der Geflüchteten sind Kinder, darunter viele unbegleitete Minderjährige, die auf ihrer Reise in den Sudan oft Traumata und Missbrauch erlebt haben. Die Menschen benötigen lebenswichtige Unterstützung, darunter Nahrungsmittel, Schutz und medizinische Versorgung. 

Kinder spielen zusammen im Lager Tunaydbah, Sudan.
Gemeinsam mit seinem besten Freund Hafton und anderen Kindern spielt der 10-jährige Mirkha im Lager Tunaydbah, Sudan, Fußball. Hafton und Mirkha sind beide Geflüchtete aus Tigray, die auf der Suche nach Schutz in den Sudan geflohen sind. Die Jungen besuchen die von der EU finanzierten und IRC eingerichteten Schutzräume im Lager und haben sich beim Fußballspielen angefreundet.
Foto: Khalid Alarabi

Wie hilft IRC in Sudan?

Hinweis: Aufgrund von Angriffen auf humanitäre Helfer*innen hat IRC die Tätigkeiten im ganzen Land eingestellt, mit Ausnahme von Tunaydbah im Bundesstaat Gedaref, wo wir weiterhin lebensrettende Dienste für Menschen leisten.

„Angesichts des anhaltenden Konflikts in Khartum, Sudan, macht sich IRC Sorgen um das Wohlergehen der rund 3.000 Menschen, die im Flüchtlingslager Tunaydbah im Bundesstaat Gedaref im Osten Sudans angekommen sind", sagt Mohammed Mahdi, stellvertretender IRC-Programmdirektor für Sudan. „IRC wird die Vertriebenen in unsere laufenden Maßnahmen in den Bereichen Gesundheit, Ernährung und Stärkung von Frauen einbeziehen. Wir werden sie außerdem mit grundlegenden Hilfsgütern versorgen, um einige ihrer dringendsten Bedürfnisse zu decken. Wir rechnen damit, dass in den kommenden Wochen weitere Menschen im Osten Sudans ankommen werden."

IRC ist in vier Bundesstaaten Sudans tätig und unterstützt Menschen, die von Konflikten und Krisen betroffen sind, einschließlich Frauen, Kinder, ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen, Geflüchtete und Aufnahmegemeinden. Dazu gehören:

Wie kann ich helfen?

Spenden Sie jetzt, um die lebenswichtige Arbeit von IRC in Sudan und weltweit zu unterstützen. Wir leisten wichtige Hilfe für die von der Krise betroffenen Menschen in mehr als 40 Ländern, darunter auch in den Ländern, die auf der Emergency Watchlist 2023 stehen.