Die menschenunwürdigen Bedingungen an den EU-Außengrenzen zeigen: Schutzsuchende brauchen dringend legale und sichere Wege nach Europa. In Deutschland gilt jedoch das Prinzip des territorialen Asyls – Asyl kann nur beantragen, wer bereits im Land ist. Dass Schutzsuchende das Recht haben, Asyl zu beantragen, ist ein zentraler Grundsatz, der nicht ausgehöhlt werden darf. Doch wie gelangt man überhaupt legal und sicher nach Deutschland?

Erfahre hier mehr über die unterschiedlichen Zugangswege – von humanitären Aufnahmen und Resettlement über den Familiennachzug bis hin zu Studium und Arbeit.

Wann erfolgt die Aufnahme aus völkerrechtlichen, politischen oder humanitären Gründen?

Personen, die sich in einer humanitären Notsituation, wie in Konflikten oder Naturkatastrophen befinden, haben unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit, aus humanitären Gründen aufgenommen zu werden. Die EU hat beispielsweise als Reaktion auf die Flucht von Menschen aus der Ukraine seit März 2022 eine sofortige und temporäre Aufnahme ermöglicht.

Porträt von Nataliia - ukrainische Schauspielerin und Geschäftsinhaberin in Athen, Griechenland
Nataliia kommt aus der Ukraine, arbeitet als Schauspielerin und Lehrerin und unterrichtet freies Sprechen. Über die EU-Richtlinie zum vorübergehenden Schutz kam sie nach Griechenland.
Foto: Sumaya Agha/IRC

Bis Ende 2024 haben knapp 4,3 Millionen ukrainische Geflüchtete in EU-Ländern, Norwegen und Island Schutz unter der sogenannten Massenzustrom-Richtlinie erhalten. In Deutschland lebten bis Februar 2025 rund 1,25 Millionen Geflüchtete aus der Ukraine, davon etwa 29 Prozent Kinder und Jugendliche.

Unabhängig von der Massenzustrom-Richtlinie prüft Deutschland in anderen Fällen in individuellen Verfahren, ob die gesetzlichen Kriterien für eine Aufnahme erfüllt sind. Dazu gehört in der Regel eine besonders ausgeprägte Gefährdungslage. Die rechtliche Grundlage bildet das Aufenthaltsgesetz, insbesondere § 22 Satz 1 und Satz 2 AufenthG.

Welche Schutzprogramme und Aufnahmeverfahren gibt es in Deutschland?

Besonders gefährdete Personen

Menschen, die sich wegen ihres Engagements für Frauen- oder Menschenrechte oder aufgrund ihrer Tätigkeit als Jurist*innen, Journalist*innen oder NGO-Mitarbeitende besonders gefährdet sehen, können eine Gefährdungsanzeige stellen und darüber ein Visum für Deutschland erhalten.

Ortskräfteverfahren

Ehemalige Mitarbeiter*innen deutscher Organisationen wie der Bundeswehr, der GIZ, dem Goethe-Institut oder der Deutschen Welle, die sich wegen ihrer früheren Tätigkeit im Ausland bedroht sehen, können über das Ortskräfteverfahren nach § 22 Satz 2 AufenthG eine Aufnahme beantragen.

Nach dem Machtwechsel in Afghanistan am 15. August 2021 wurden auch (ehemalige) afghanische Ortskräfte hierüber aufgenommen. Bis April 2024 reisten über 33.200 Menschen ein: darunter über 20.300 ehemalige Ortskräfte mit ihren Familien sowie mehr als 12.900 besonders gefährdete Afghan*innen.

Bundesaufnahmeprogramm

Auch für Afghanistan wurde im Oktober 2022 ein Bundesaufnahmeprogramm nach § 23 Absatz 2 Aufenthaltsgesetz eingerichtet. Das Besondere: Anders als im Bundesprogramm für syrische Geflüchtete richtet sich dieses ausschließlich an gefährdete Personen, die sich noch in Afghanistan befinden. Neu ist auch, dass zivilgesellschaftliche Organisationen die Fälle einreichen und das Verfahren aktiv mitgestalten. Auch hier müssen individuelle Gefährdungslagen vorliegen und bestimmte Kriterien erfüllt sein. 

Ursprünglich plante die Bundesregierung, bis September 2025 monatlich bis zu 1000 gefährdete Afghan*innen mit Familien aufzunehmen. Trotz dieser Zielvorgabe lief das Programm nur schleppend an: Bis Ende September 2023 erhielten lediglich 571 Personen eine Aufnahmezusage, nur 13 reisten bis dahin tatsächlich ein. Bis März 2025 stieg die Zahl der erteilten Aufnahmezusagen auf 3081, rund 1337 Personen reisten bis dahin nach Deutschland ein.

Die neue Bundesregierung will laut Koalitionsvertrag, das Bundesaufnahmeprogramm einstellen. Sie erteilt derzeit keine neuen Aufnahmezusagen; nur bereits erteilte Zusagen, die sie aktuell erneut auf ihre Richtigkeit prüft, bleiben rechtlich verbindlich. 

Landesaufnahmeprogramm der Bundesländer

Mehrere Bundesländer nutzen die Möglichkeit, mit Zustimmung des Bundesinnenministeriums eigene Aufnahmeprogramme umzusetzen. Grundvoraussetzungen für eine Aufnahme sind Verwandte in dem jeweiligen Bundesland und das Vorliegen einer Verpflichtungserklärung – dass sich also jemand in Deutschland verpflichtet, alle anfallenden Kosten für die aufzunehmende Person zu übernehmen. 

Diese Landesaufnahmeprogramme unterscheiden sich je nach Bundesland hinsichtlich Aufenthaltsdauer der Angehörigen, finanzieller Nachweise und möglicher Aufnahmekontingente. Hessen beispielsweise legte eine Höchstzahl von 1000 aufzunehmenden Personen fest. In Thüringen müssen Verwandte mindestens ein Jahr in Deutschland und sechs Monate im Bundesland leben.

Bis 2023 führten die Länder Berlin, Bremen und Thüringen, Programme für Afghan*innen weiter. Diese Programme wurden jedoch größtenteils eingestellt oder nicht verlängert. 

 

Was ist das Resettlement-Verfahren?

Ein alternativer Weg nach Deutschland, aber auch in andere Aufnahmestaaten wie Kanada, USA oder Schweden, ist Resettlement, zu Deutsch: Neuansiedlung. Dabei handelt es sich um die dauerhafte Aufnahme für besonders schutzbedürftige Personen, die sich bereits in einem Drittstaat als Geflüchtete aufhalten. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) wählt in einem Verfahren nach bestimmten Kriterien besonders schutzbedürftige Personen aus, die den aufnahmebereiten Staaten, so auch Deutschland, für Resettlement vorgeschlagen werden. Die letztendliche Entscheidung für oder gegen die Aufnahme obliegt dem Aufnahmestaat. 

Im Jahr 2022 sagte Deutschland zu, 2500 von UNHCR anerkannte Geflüchtete oder staatenlose Geflüchtete aus den Erstzufluchtsländern Ägypten, Jordanien, Kenia, Libanon und Niger aufnehmen zu wollen. Für das Jahr 2023 wurde das Zufluchtsland Pakistan hinzugenommen und die Zahl für potentielle Aufnahmen im Rahmen von Resettlement stieg auf  2950 Plätze. Bei den aufzunehmenden Personen handelt es sich insbesondere afghanische, syrische, irakische, sudanesische, südsudanesische, somalische, jemenitische und eritreische Staatsangehörige. 

Für die Jahre 2024 und 2025 sind jeweils bis zu 3240 Plätze vorgesehen. Davon entfallen 200 Plätze jährlich auf das Bundesprogramm „Neustart im Team (NesT)“, das auf ehrenamtliche Mentoring-Gruppen setzt, die Wohnraum bereitstellen und Geflüchtete begleiten. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge kann über NesT im Jahr 2024 bis zu 240 und im Jahr 2025 bis zu 260 Personen aufnehmen.

Im April 2025 setzte Deutschland das reguläre UN-Resettlement-Programm vorübergehend aus. Bereits zugesagte Aufnahmen über das NesT-Programm sollen jedoch weiterlaufen.

Wie funktioniert die Familienzusammenführung im Einwanderungsprozess?

Ehepartner*innen, eingetragene Lebenspartner*innen sowie minderjährige, ledige Kinder von anerkannten Geflüchteten, Asylberechtigten oder Resettlement-Geflüchteten haben grundsätzlich das Recht, im Rahmen des Familiennachzugs nach Deutschland zu ziehen. Diese Regelungen sind im § 27 ff im Aufenthaltsgesetz verankert.

Der Familiennachzug kann ohne Nachweis zur Sicherung des Lebensunterhalt und ohne Nachweis von ausreichendem Wohnraum erfolgen, wenn der Antrag spätestens drei Monate nach der Anerkennung des Schutzstatus gestellt wird.

In der Regel müssen nachziehende Ehepartner*innen einfache Deutschkenntnisse nachweisen. In bestimmten Fällen, wie beim Familiennachzug zu Fachkräften, können die Sprachkenntnisse auch nach der Einreise in Deutschland erworben werden.

Wird der Antrag nach Ablauf der Dreimonatsfrist gestellt, muss die in Deutschland lebende Person über ausreichendes Einkommen und Wohnraum verfügen. Für Personen mit subsidiärem Schutzstatus oder Abschiebungsverbot ist der Familiennachzug nur in Ausnahmefällen gemäß § 36a AufenthG möglich.

Laut Koalitionsvertrag plant die neue Bundesregierung, den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten für zwei Jahre auszusetzen. Diese Maßnahme soll ab dem zweiten Halbjahr 2025 greifen.

Die afghanischen Brüder Mehdi und Ali in Deutschland wiedervereint
Mehdi und Ali sind Brüder aus Afghanistan, die 11 Jahre auf ihre Zusammenführung gewartet haben. IRC unterstützte Ali, als er in einer Notunterkunft in Griechenland lebte, um zu seinem Bruder nach Deutschland umzusiedeln.
Foto: Lena Mucha für IRC

Im Jahr 2024 erteilten deutsche Auslandsvertretungen insgesamt rund 120.000 Visa zum Zweck der Familienzusammenführung. Davon entfielen etwa 28.300 auf Angehörige aus Asylherkunftsländern wie Syrien (ca. 20.000), Iran (4400), Afghanistan (2600) und Irak (1.300). Für Angehörige von subsidiär Schutzberechtigten lag das Kontingent erneut bei 12.000 Visa – das Jahresmaximum wurde damit vollständig ausgeschöpft.

Finde heraus, welche Folgen ein Stopp des Familiennachzugs für Betroffene hat. 

Lies die Geschichte von Ali und Mehdi, zwei afghanische Brüder, die nach 11 Jahren endlich in Deutschland wieder vereint sind. 

Welche sicheren Zugangswege gibt es im Bereich Studium und Arbeit?

Nationales VISA für Arbeit, Studium, Forschung, Programme 

Wer aus einem Nicht-EU-Staat nach Deutschland reisen will, um zu arbeiten, zu studieren, zu forschen oder an einem Freiwilligendienst teilzunehmen, benötigt in der Regel ein nationales Visum. Dieses Visum ist zweckgebunden und setzt voraus, dass Antragsteller*innen bereits bei der Antragstellung relevante Nachweise vorlegen: etwa über ein konkretes Arbeitsplatzangebot, einen anerkannten Studienplatz, ausreichende finanzielle Mittel sowie einen Mietvertrag. 

Besonders für Menschen aus einkommensschwachen oder von Krisen betroffenen Ländern stellt der Visumsprozess eine große Hürde dar. Neben den finanziellen Anforderungen ist häufig ein in Deutschland anerkannter Bildungsabschluss erforderlich.

Fachkräfteeinwanderung

Der Fachkräftemangel in Deutschland ist nicht neu. Die Zahl der offenen Stellen lag im März 2025 bei rund 1,85 Millionen. Um dem entgegenzuwirken, verabschiedete die Bundesregierung im Juli 2023 das Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Ziel ist es, qualifizierten Fachkräften aus dem Ausland eine schnellere und unbürokratische Einreise zu ermöglichen – auch durch den erleichterten Zugang zur Blauen Karte EU. Sie ermöglicht qualifizierten Fachkräften aus Nicht-EU-Staaten, etwa IT-Spezialist*innen, die Einreise und Arbeit in Deutschland.

Seit 2024 gilt das Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung. Im Jahr 2024 wurden rund 192.000 Visa zu Erwerbszwecken erteilt, für 2025 rechnet das Bundesinnenministerium mit einem weiteren Anstieg.

Menschen mit mindestens zwei Jahren Berufserfahrung und einem staatlich anerkannten Berufsabschluss aus ihrem Herkunftsland dürfen seitdem ohne deutsche Anerkennung einwandern. Neu ist auch die Chancenkarte – ein punktebasiertes System zur Arbeitssuche. Kriterien wie Qualifikation, Sprachkenntnisse in Deutsch und Englisch, Berufserfahrung, Deutschlandbezug, Alter und die Einreise mit Partner*in fließen in die Bewertung ein. 

Erfahre, wie Geflüchtete Zugang zum Arbeitsmarkt in Deutschland finden.

Schengen-VISA

Neben nationalen Visa gibt es auch das sogenannte Schengen-Visa, das für den gesamten Schengen-Raum gilt und einen Aufenthalt bis zu drei Monaten ermöglicht - insbesondere aus touristischen Gründen bzw. zur Durchreise. 

Essentiell hierbei ist, dass neben dem Grund der Reise, genügend finanziellen Ressourcen und einer abgeschlossenen Krankenversicherung auch geprüft wird, ob es plausibel erscheint, dass die jeweilige Person vor Ablauf des Visums auch tatsächlich wieder ausreist. Viele Menschen aus einkommensschwachen Ländern können dies nicht nachweisen, auch wenn sie vielleicht nur einen Familienbesuch planen.

 

IRCs Forderungen nach mehr sicheren Zugangswegen

Da Jahr für Jahr mehr Menschen aus ihrer Heimat fliehen müssen, ist die internationale Gemeinschaft - einschließlich der EU - in der Verantwortung, die Zahl der sicheren, regulären Wege zum Schutz jedes Jahr zu erhöhen. 

IRC fordert die EU und ihre Mitgliedsstaaten auf, dringend folgende Maßnahmen umzusetzen:

Erfahre hier mehr zu den Forderungen von IRC an die neue Bundesregierung.