In Debatten um Asyl- und Migrationspolitik und den katastrophalen Ereignissen an den EU-Außengrenzen oder auf dem Mittelmeer wird immer wieder die Forderung nach mehr sicheren Einreisewegen insbesondere für schutzsuchende Menschen laut.

In Deutschland gilt jedoch das Prinzip des territorialen Asyls. Das bedeutet, dass Asyl nur von Menschen beantragt werden kann, die sich bereits in Deutschland aufhalten. Welche legalen Einreisewege gibt es dann überhaupt, um sicher nach Deutschland zu kommen?

Erfahre hier mehr über die unterschiedlichen Zugangswege nach Deutschland wie der Aufnahme aus völkerrechtlichen, politischen oder humanitären Gründen, Resettlement, Familiennachzug sowie Einreise für Studium und Arbeit, die auch das deutsche Aufenthaltsrecht teilweise vorsieht.

Wann erfolgt die Aufnahme aus völkerrechtlichen, politischen oder humanitären Gründen?

Personen, die sich in einer humanitären Notsituation, wie in Konflikten oder Naturkatastrophen befinden, haben unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit, aus humanitären Gründen aufgenommen zu werden. Die EU hat beispielsweise als Reaktion auf die Flucht von Menschen aus der Ukraine eine humanitäre Aufnahme ermöglicht und so im Jahr 2022 über 5 Millionen Menschen Schutz bieten können.

Porträt von Nataliia - ukrainische Schauspielerin und Geschäftsinhaberin in Athen, Griechenland
Nataliia ist eine ukrainische Schauspielerin, Lehrerin und unterrichtet Menschen im freien Sprechen. Sie ist im Rahmen der EU-Richtlinie zum vorübergehenden Schutz nach Griechenland gekommen.
Foto: Sumaya Agha/IRC

Im Jahr 2021 hat die EU eine Ad-hoc-Evakuierung aus Afghanistan durchgeführt. Ergänzend dazu hat die deutsche Bundesregierung im Jahr 2022 das mehrjährig ausgelegte Bundeaufnahmeprogramm für Afghanistan eingerichtet.

Allgemein ist eine Aufnahme nach Deutschland aus völkerrechtlichen, politischen oder humanitären Gründen mit höchst individuellen Verfahren verbunden und es müssen spezifische Kriterien, wie eine besonders starke Gefährdung der Einzelperson erfüllt sein, damit eine Aufnahme erst infrage kommt. Geregelt wird dies im Aufenthaltsgesetz gemäß § 22 Satz 1 AufenthGund § 22 Satz Satz 2 AufenthG.

Welche Schutzprogramme und Aufnahmeverfahren gibt es in Deutschland?

Besonders gefährdete Personen

Aufgrund anderer Tätigkeiten, wie als Jurist*innen oder Journalist*innen, oder aufgrund ihres Einsatzes für Menschen- und Frauenrechte können besonders gefährdete Einzelpersonen ebenfalls eine Gefährdungsanzeige stellen und darüber ein VISA für Deutschland erhalten.

Auch ihre Aufnahme basiert im Fall einer Zusage auf § 22 Satz 2 AufenthG.  In Afghanistan erhielten zwischen August 2021 und März 2023 rund 18.900 dieser besonders gefährdeten Personen und ihre Familien Aufnahmezusagen. Davon eingereist sind im gleichen Zeitraum etwa 10.750 Personen.

Ortskräfteverfahren

Das sogenannte Ortskräfteverfahren nach § 22 Satz 2 AufenthG gibt es bereits seit 2013 und betrifft Angestellte, die zum bzw. ab dem 1. Januar des gleichen Jahres bei einer deutschen Institution wie der Bundeswehr, der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), dem Goethe-Institut oder der Deutschen Welle, tätig waren und aufgrund dieser Tätigkeit im Ausland konkret gefährdet sind. 

Durch die Entwicklungen in Afghanistan seit dem 15. August 2021 wurden auch (ehemalige) afghanische Ortskräfte hierüber aufgenommen.  Zwischen Mai 2021 und März 2023 erhielten rund 25.100 (ehemalige) Ortskräfte und ihre Familien Aufnahmezusagen, von denen im gleichen Zeitraum etwa Eingereist sind davon rund 19.250 eingereist sind. 

Weitere Informationen findest du im § 23 Absatz 2 AufenthG.

Bundesaufnahmeprogramm

Auch für Afghanistan wurde im Oktober 2022 ein Bundesaufnahmeprogramm nach § 23 Absatz 2 Aufenthaltsgesetz eingerichtet. Das Besondere: Anders als im Bundesprogramm für syrische Geflüchtete und anders als beim Resettlementverfahren, das nur für Menschen gilt, die sich bereits in einem Erstaufnahmestaat aufhalten, sollen beim Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan ausschließlich Menschen Aufnahmezusagen erhalten, die sich noch im Herkunftsland aufhalten.  Neu ist auch, dass die Zivilgesellschaft bei der Entwicklung des Programms und der Einreichung der Fälle beteiligt ist. 

Auch hier müssen individuelle Gefährdungslagen vorliegen und bestimmte Kriterien erfüllt sein. Die Laufzeit des Bundesaufnahmeprogrammes ist bis September 2025 geplant und es können bis dahin monatlich je 1.000 gefährdete Afghan*innen mit Familienmitgliedern aufgenommen werden. Obwohl das Programm im Oktober 2022 startete und die Zivilgesellschaft bislang Hilfsanfragen im fünfstelligen Bereich bereitstellten, bekamen bis Ende September 2023 nur 571 Personen eine positive Aufnahmeentscheidung und nur 13 Personen sind bis dahin über dieses Programm nach Deutschland eingereist.

Landesaufnahmeprogramm

Auch die einzelnen Bundesländer können mit Zustimmung des BMI eigene Aufnahmeprogramme einrichten. Grundvoraussetzungen für eine Aufnahme sind Verwandte in dem jeweiligen Bundesland und das Vorliegen einer Verpflichtungserklärung – dass sich also jemand in Deutschland verpflichtet, alle anfallenden Kosten für die aufzunehmende Person zu übernehmen. 

Noch vor einigen Jahren hatten alle Bundesländer bis auf Bayern Aufnahmeprogramme für syrische Menschen. Auch für Afghanistan wurden nach dem Machtwechsel im August 2021  Länderaufnahmeprogramme errichtet, nämlich schrittweise von Berlin, Hessen, Thüringen und Bremen. Die einzelnen Bundesländer können in ihren Kriterien für eine Aufnahme etwas abweichen, zum Beispiel wie lange eine Verwandte Person schon in dem Bundesland oder Deutschland gelebt haben muss (z. B. Thüringen: 1 Jahr in Deutschland, 6 Monate in Thüringen) und ob es eine Obergrenze gibt (Hessen: 1.000 Personen insgesamt). 

 

Was ist das Resettlement-Verfahren?

Ein alternativer Weg nach Deutschland, aber auch in andere Aufnahmestaaten wie Kanada, USA oder Schweden, ist Resettlement, zu Deutsch: Neuansiedlung. Dabei handelt es sich um die dauerhafte Aufnahme für besonders schutzbedürftige Geflüchtete, die sich bereits in einem Drittstaat als Geflüchtete aufhalten. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) wählt in einem Verfahren nach bestimmten Kriterien besonders schutzbedürftige Personen aus, die den aufnahmebereiten Staaten, so auch Deutschland, für Resettlement vorgeschlagen werden. Die letztendliche Entscheidung für oder gegen die Aufnahme obliegt dem Aufnahmestaat. 

Im Jahr 2022 sagte Deutschland zu, 2.500 von UNHCR anerkannte Geflüchtete oder staatenlose Geflüchtete aus den Erstzufluchtsländern Ägypten, Jordanien, Kenia, Libanon und Niger aufnehmen zu wollen. Für das Jahr 2023 wurde das Zufluchtsland Pakistan hinzugenommen und die Zahl für potentielle Aufnahmen im Rahmen von Resettlement stieg auf 2.950 Plätze. Bei den aufzunehmenden Personen handelt es sich insbesondere um afghanische, syrische, irakische, sudanesische, südsudanesische, somalische, jemenitische und eritreische Staatsangehörige.

Weitere 200 Plätze sind im Rahmen des Bundesprogramms „Neustart im Team (NesT)“ im Resettlement vorgesehen, das über eine separate Aufnahmeanordnung läuft. In diesem Rahmen kann das BAMF zudem im Jahr 2024 bis zu 240 und im Jahr 2025 auch bis zu 260 Resettlement-Flüchtlingen Aufnahmezusagen erteilen. Die Aufnahme hierüber ist an die Unterstützung durch Mentoring-Gruppen gebunden, die Wohnraum zur Verfügung stellen und neu Eingereiste bei der Integration unterstützen. 

Erfahre in unserem Explainer mehr zum Resettlement.

Wie funktioniert die Familienzusammenführung im Einwanderungsprozess?

Gesetzliche Grundlage

Ehepartnerin oder Ehepartner bzw. Lebenspartnerin oder Lebenspartner und auch minderjährige ledige Kinder von anerkannten Flüchtlingen, Asylberechtigten oder Resettlement-Flüchtlingen können nach Deutschland zuziehen. Diese Regelungen sind im § 27 ff im Aufenthaltsgesetz verankert.

Der Familiennachzug ist zunächst ohne Nachweis zur Sicherung des Lebensunterhalt und ohne Nachweis von ausreichendem Wohnraum möglich, wenn der Antrag auf Familiennachzug spätestens drei Monate nach Abschluss des Asylverfahrens der Person in Deutschland erfolgt. 

In der Regel müssen sich nachziehende Ehepartner auf einfache Art und Weise im Alltag auf Deutsch verständigen können. In bestimmten Fällen, zum Beispiel beim Familiennachzug zu Fachkräften, können die Sprachkenntnisse auch nach der Einreise in Deutschland erworben werden.

Ein Familiennachzug ist auch nach Ablauf der Dreimonatsfrist möglich, dann muss aber die Person, die sich bereits in Deutschland aufhält, über ausreichendes Einkommen und Wohnraum verfügen. Für Personen in Deutschland mit subsidiärem Schutz oder Abschiebungsverbot ist der Zuzug von Familienangehörigen nur in Ausnahmen nach § 36a AufenthG möglich. 

Herausforderungen und Bemühungen zur Vereinfachung des Familiennachzugsverfahrens

Das Verfahren für eine Familienzusammenführung erstreckt sich oft über einen langen Zeitraum, mitunter Jahre. Es sind zahlreiche Dokumente einzureichen und Wartezeiten bei Botschaftsterminen im Kontext des Familiennachzuges sind keine Seltenheit. Dies führt zu mehrmonatigen Wartezeiten für Familien im Ausland.

Für viele geflüchtete Personen ist die Beschaffung von den notwendigen Unterlagen eine große Herausforderung. Obwohl die Bundesregierung im Koalitionsvertrag 2021 die Absicht zur Vereinfachung und Beschleunigung des Familiennachzugsverfahren angekündigt hat und die Regelungen für subsidiär Schutzberechtigte denen für anerkannte Flüchtlinge gleichstellen wollte, sind bisher keine konkreten Maßnahmen in die Tat umgesetzt worden.

Die afghanischen Brüder Mehdi und Ali in Deutschland wiedervereint
Mehdi und Ali sind Brüder aus Afghanistan, die 11 Jahre auf ihre Zusammenführung gewartet haben. IRC unterstützte Ali, als er in einer Notunterkunft in Griechenland lebte, um zu seinem Bruder nach Deutschland umzusiedeln.
Foto: Lena Mucha/IRC

Lies die Geschichte von Ali und Mehdi, zwei afghanische Brüder, die nach 11 Jahren endlich in Deutschland wieder vereint sind. 

Welche sicheren Zugangswege gibt es im Bereich Studium und Arbeit?

Nationales VISA für Arbeit, Studium, Forschung, Programme 

Visa sind immer an einen bestimmten Zweck gebunden: Sie können zur Aufnahme von Arbeit, Studium, Forschung oder speziellen Programmen wie einem freiwilligen sozialen Jahr ausgestellt werden. Auch aus familiären Gründen kann ein Visum beantragt werden, also für den sogenannten Familiennachzug. Hierbei handelt es sich um nationale Visa, die einen langfristigen Aufenthalt in Deutschland ermöglichen.  

Für die meisten Menschen aus Nicht-EU-Staaten gilt, dass für die Einreise nach Deutschland ein Visum benötigt wird – das trifft insbesondere auf einkommensschwache oder fragile Herkunftsländer zu, eben meist diese, aus denen Menschen fliehen. 

Wichtig ist: Um ein Visum zu erhalten, müssen die jeweiligen Voraussetzungen erfüllt sein. Dies ist mitunter verbunden mit erheblichen finanziellen Ressourcen, in Deutschland anerkannten Bildungsabschlüssen und Arbeits- und Mietverträgen für eine Wohnung in Deutschland. Diese sind bereits bei Visumsantrag vorzulegen. Mitunter muss die familiäre Bindung beispielsweise durch entsprechende Dokumente, DNA-Gutachten, Chat-Verläufe oder persönliche Interviews nachgewiesen werden. 

Fachkräfteeinwanderung

Der Fachkräftemangel in Deutschland ist nicht neu. Die Zahl der offenen Stellen lag 2022 bei rund 1.98 Millionen. Die Bundesregierung reagierte nun darauf mit einer Fachkräftestrategie und dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das im Juli 2023 verabschiedet wurde. Qualifizierte Personen aus dem Ausland sollen so schneller und unbürokratischer nach Deutschland kommen können und auch leichter eine Blaue Karte EU erhalten können.  

Wer mindestens zwei Jahre Berufserfahrung und einen im Herkunftsland staatlich anerkannten Berufsabschluss hat, kann als Arbeitskraft in Deutschland einwandern. Der Berufsabschluss muss künftig nicht mehr in Deutschland anerkannt sein. Neu ist zudem eine Chancenkarte zur Arbeitssuche, die auf einem Punktesystem basiert. Zu den Auswahlkriterien gehören Qualifikation, Deutsch- und Englischkenntnisse, Berufserfahrung, Deutschlandbezug, Alter und mitziehende Lebens- oder Ehepartner. Einige Regelungen des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes treten ab November 2023 in Kraft, andere ab März 2024.

Schengen-VISA

Neben nationalen Visa gibt es auch das sogenannte Schengen-Visa, das für den gesamten Schengen-Raum gilt und einen Aufenthalt bis zu drei Monaten ermöglicht - insbesondere aus touristischen Gründen bzw. zur Durchreise. 

Essentiell hierbei ist, dass neben dem Grund der Reise, genügend finanziellen Ressourcen und einer abgeschlossenen Krankenversicherung auch geprüft wird, ob es plausibel erscheint, dass die jeweilige Person vor Ablauf des Visums auch tatsächlich wieder ausreist. Viele Menschen aus einkommensschwachen Ländern können dies nicht nachweisen, auch wenn sie vielleicht nur einen Familienbesuch planen. 

 

IRCs Forderungen nach mehr sicheren Zugangswegen

Da die Zahl der Vertriebenen Jahr für Jahr weiter ansteigt, ist es für die internationale Gemeinschaft - einschließlich der EU - von entscheidender Bedeutung, die Zahl der sicheren, regulären Wege zum Schutz jedes Jahr zu erhöhen. 

Angesichts der Tatsache, dass mehr Menschen als je zuvor auf der Flucht sind, fordert IRC die EU und ihre Mitgliedsstaaten auf, dringend: