Ein von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) geführter Luftangriff in der für den Jemen wichtigen Hafenstadt Al-Hudaida hat über Nacht eine medizinische Einrichtung des Gesundheitsministeriums beschädigt, die vom International Rescue Committee (IRC) unterstützt wird. Die Institution musste ihre Arbeit einstellen. Wichtige medizinische Dienste für eine bereits gefährdete Bevölkerung konnten nicht mehr bereitgestellt werden. IRC übernimmt die Gehaltszahlungen an Hebammen, die schwangere und stillende Frauen in der Einrichtung versorgen sowie Geburtshilfe leisten. Zudem versorgt IRC die Klinik mit wichtigen Medikamenten, medizinischer Ausrüstung und Zugang zu sauberem Wasser. Ohne diese grundlegenden Dienste ist die Bevölkerung von Al-Hudaida dem Risiko einer humanitären Katastrophe ausgesetzt. IRC hatte die Koordinaten der Einrichtung den Koalitionstruppen bekanntgegeben. Der Luftangriff wurde im Wissen durchgeführt, dass es in der Gegend von IRC unterstützte Projekte gibt.

Frank Mc Manus, IRC-Landesdirektor im Jemen sagte:

„Alle Parteien sind dafür verantwortlich, den Zugang zu solchen medizinischen Diensten zu gewährleisten und zu schützen. Dennoch haben immer wieder Angriffe durch die Koalition zur Zerstörung wichtiger ziviler Infrastruktur geführt“„Wenn die Konfliktparteien weiterhin einen verheerenden Krieg in der Stadt Al-Hudaida führen, tun sie dies in vollem Bewusstsein über die Folgen für die Zivilbevölkerung. Sie sind laut internationalem Recht verpflichtet, den Schutz der Zivilbevölkerung und den ungehinderten Zugang des IRC und anderer Hilfsorganisationen zu gewährleisten, um humanitäre Hilfe zu leisten.“

Die Lage im Jemen zählt bereits zu den größten humanitären Krisen der Welt. In Anbetracht der verheerenden Auswirkungen eines Angriffs auf Al-Hudaida auf die humanitäre Lage im Jemen, hatte die von Saudi-Arabien und den VAE geführte Koalition ihren Vormarsch auf die Hafenstadt unterbrochen. Damit gab sie dem UN-Sonderbeauftragten mehr Zeit, eine politische Lösung zur Beendigung der Krise in der Stadt zu verhandeln. Die Luftangriffe, die diese Pause nun verletzten, kamen einen Tag nachdem die Huthi behaupteten, einen Drohnenangriff auf einen zivilen Flughafen in den VAE durchgeführt zu haben. Die Vorbereitungen der Huthi auf Kämpfe in der Stadt verschärfen die Situation für die Zivilbevölkerung zusätzlich. Truppen der Huthi heben Gräben aus, beschädigen damit weiter die Infrastruktur und erhöhen das Risiko eines Cholera-Ausbruchs. Bereits im Jahr 2017 waren 15 Prozent der landesweit eine Million Cholera-Fälle in Al-Hudaida aufgetreten.  

„Nicht nur, dass der städtische Krieg Tausende von Menschenleben gefährdet, wichtige Märkte und Geschäfte zwingt zu schließen und den humanitären Zugang begrenzt. Kämpfe in Al-Hudaida schränken auch den Betrieb des Hafens ein und können Hungersnöte auslösen“, sagt Mc Manus. „Mehr als acht Millionen Jemeniten stehen bereits kurz vor der Hungersnot. 80 Prozent der Nahrungsmittel- und Treibstoffimporte sind abhängig vom Hafen von Al-Hudaida. Schon jetzt werden die Nahrungsmitteleinfuhren in Al-Hudaida im Juli weniger als die Hälfte des Bedarfs für diesen Monat decken. Dass selbst kleinere Störungen des Hafenbetriebs verheerend sein werden, liegt auf der Hand.“

sagte Mc Manus.

„Selbst wenn der Hafen offenbleibt“, so Mc Manus weiter, „werden wahrscheinlich nur wenige Schiffe bereit sein, anzulegen, solange es einen aktiven Konflikt in der Nähe gibt. Selbst wenn die Schlacht relativ schnell zu Ende gehen sollte, wird es dauern, bis der Hafen seine zentrale Rolle als wirtschaftliche und humanitäre Lebensader für den Jemen wieder ausfüllen kann. Bereits eine einzige beschädigte Gesundheitseinrichtung in der Stadt zeigt, welche schwerwiegenden humanitären Auswirkungen die Kämpfe haben.“

Seit vier Jahren herrscht Krieg im Jemen, der als die größte humanitäre Krise der Welt gilt. 22 Millionen Menschen benötigen Hilfe. Nur die Hälfte der jemenitischen Gesundheitseinrichtungen sind in Betrieb, sowohl in von den Huthi als auch von der Regierung kontrollierten Gebieten. 120.000 Jemeniten wurden bereits durch die Kämpfe in Al-Hudaida und Umgebung vertrieben. Schätzungsweise 250.000 Menschen könnten ihr Leben verlieren. Wer die Stadt verlassen konnte, hat dies wahrscheinlich bereits getan. Die Schwächsten bleiben zurück.

IRC nutze die relative Ruhe, die mit der militärischen „Pause“ einherging, um die Bereitstellung kritischer Dienste in Al-Hudaida und Umgebung wieder in Gang zu bringen: Stationäre Gesundheitseinrichtungen werden unterstützt, mobile Gesundheits- und Ernährungsdienste für die durch die Kämpfe Vertriebenen bereitgestellt. Die letzten 24 Stunden aber zeigen, dass es immer riskanter wird, auf diese Dienstleitungen zuzugreifen. Unterstützt wird die humanitäre Hilfe des IRC im Jemen vom Auswärtigen Amt.

Weitere Informationen zum Jemen: https://de.rescue.org/land/jemen