Anlässlich der morgigen, von der Bundesregierung mitausgerichteten Geberkonferenz zur Unterstützung der Krise in Afghanistan ruft IRC zu mutigen Zusagen für humanitäre Hilfe und zu konkreten Verpflichtungen auf, um den wirtschaftlichen Zusammenbruch des Landes aufzuhalten. Der UN-Hilfsplan für Afghanistan ist der größte humanitäre Finanzierungsaufruf weltweit. 4,47 Milliarden US-Dollar werden für humanitäre Hilfe benötigt - das Vierfache des Bedarfs zu Beginn des Jahres 2021 und mehr als für die Krisen in Syrien oder Jemen erforderlich ist.

Seit dem politischen Machtwechsel in Afghanistan im August 2021 - als die internationale Gemeinschaft alle nicht-humanitäre Finanzierungen einstellte und Afghanistan von den internationalen Finanzsystemen abschnitt - ist der wirtschaftliche Zusammenbruch Afghanistans so schnell wie nie zuvor erfolgt. Viele Afghan*innen konnten ihre Familien vor sechs Monaten noch eigenständig versorgen und sind nun vollständig auf humanitäre Hilfe angewiesen. Jede Woche sind mehr Afghan*innen gezwungen, unvorstellbare Kompromisse einzugehen, um zu überleben: Seit August hat sich die Zahl der Afghan*innen, die auf negative Bewältigungsstrategien zurückgreifen, versechsfacht, z.B. indem Familien junge Töchter verheiraten, Kinder statt in die Schule zum Arbeiten schicken, Organe verkaufen, Mahlzeiten ausfallen lassen oder hohe Schulden aufnehmen. 

David Miliband, Präsident und CEO von International Rescue Committee, sagt:

"Afghanistan ist ein Paradebeispiel für Systemversagen. Das internationale System, das die Zivilbevölkerung schützen sollte, hat das Land stattdessen an den Rand des totalen Zusammenbruchs getrieben. Wenn die afghanische Wirtschaft nicht wiederbelebt wird, wird sich das Ausmaß der derzeitigen humanitären Krise nur noch verschlimmern. Das wird schwerwiegende Folgen für viele Afghan*innen haben - und die internationale Gemeinschaft wird noch weiter steigende Bedarfe für humanitäre Hilfe decken müssen. Eine weitere wirtschaftliche Notlage wird nur zu größerer Unsicherheit und größerem Elend führen.

Beginnend mit der morgigen Geberkonferenz müssen die Geber*innen in zwei Richtungen vorgehen. Erstens müssen sie den Lebensunterhalt der afghanischen Bevölkerung kurzfristig sichern. Wenn genügend Mittel zur Verfügung stehen, wird die humanitäre Hilfe Menschenleben retten können. Grundlegende Dienstleistungen wie Gesundheitsversorgung und Bildung sollten als unverzichtbar angesehen werden. Die kürzlich von der Weltbank bewilligte Summe von 1 Milliarde US-Dollar für Programme zum Wiederaufbau der Existenzgrundlage der Afghan*innen sollte schnellstens zur Bezahlung von Beamt*innen wie Gesundheitspersonal und Lehrkräften verwendet werden, um die Bereitstellung wichtiger Dienstleistungen für alle Afghan*innen zu unterstützen. 

Humanitäre Hilfe bekämpft jedoch nur die Symptome und nicht die Ursachen des wirtschaftlichen Zusammenbruchs. Afghanistan braucht dringend einen Fahrplan für das internationale Engagement zur Bewältigung der Wirtschaftskrise, einschließlich klaren Vorgaben für die Freigabe von eingefrorenem afghanischen Staatsvermögen an die Zentralbank. Geber*innen und Finanzinstitutionen müssen die Zentralbank dabei unterstützen, unabhängig zu arbeiten, internationale Bankenstandards einzuhalten und die afghanische Wirtschaft zu verwalten. Die dringenden Maßnahmen zur Verhinderung von Hungersnöten und vermeidbaren Todesfällen in den kommenden Wochen und Monaten dürfen die wichtige Arbeit zur Eindämmung der Krise und zur Stabilisierung der Wirtschaft nicht verdrängen. Solange diese Maßnahmen nicht ergriffen werden, wird die afghanische Zivilbevölkerung weiterhin für die Verfehlungen anderer bezahlen."

IRC ist seit 1988 in Afghanistan tätig. Heute arbeitet IRC in Tausenden Dörfern in zehn Provinzen, wobei mehr als 99% der IRC-Mitarbeiter*innen Afghan*innen sind. Afghanistan kämpft damit, sich von den anhaltenden Konflikten, der Wirtschaftskrise und den Naturkatastrophen zu erholen. IRC arbeitet mit lokalen Gemeinschaften zusammen, um Entwicklungsprojekte zu ermitteln, zu planen und zu verwalten. IRC bietet sichere Lernorte in ländlichen Gebieten, gemeindebasierte Bildung für Kinder, einschließlich Mädchen, und Bargeldunterstützung für binnenvertriebene Familien, um Lebensmittel, sauberes Wasser, sanitäre Anlagen und andere Grundbedürfnisse zu kaufen. IRC hilft den Menschen, Unternehmen zu gründen, Arbeitsplätze zu finden und ein Einkommen zu erzielen.


Für Statements und Interviews mit Afghanistan Landesdirektorin Vicki Aken, CEO und Präsident David Miliband (beide auf Englisch) oder IRC Deutschland Geschäftsführer Ralph Achenbach (auf Deutsch oder Englisch) wenden Sie sich bitte an Alex Janecek unter [email protected] oder +49 (0)176 46549445.