Diese Woche treffen sich Staats- und Regierungschef*innen aus der ganzen Welt zum Globalen Flüchtlingsforum (GRF) vom 13. bis 15. Dezember in Genf. IRC ruft die internationale Gemeinschaft dazu auf, ehrgeizige Verpflichtungen einzugehen, um Geflüchtete besser zu schützen, sich für ihre Rechte einzusetzen und ihnen nachhaltige Perspektiven zu bieten.

Beim letzten Globalen Flüchtlingsforum (GRF) im Jahr 2019 wurden mehr als 1.400 Verpflichtungen und Initiativen zur Umsetzung der Ziele des Globalen Pakts für Flüchtlinge angekündigt. Dazu zählten zum Beispiel ein politisches Bekenntnis zur gemeinsamen Verantwortungsteilung aller Länder in der Aufnahme von Geflüchteten sowie einer längerfristigen Unterstützung für Geflüchtete und Aufnahmegemeinschaften. Vier Jahre später sind jedoch gerade mal ein Drittel der Ziele erfüllt – der Rest ist noch weit davon entfernt. 

In der Zwischenzeit hat sich die humanitäre Lage in vielen Herkunftsländern der Geflüchteten rapide verschlechtert, ob durch die Zunahme gewaltsamer Militärputsche, die Verletzung des humanitären Völkerrechts, die Auswirkungen der Klimakrise und steigende Staatsverschuldung. Über diesen Entwicklungen stehen die Verschlechterungen infolge der schwindenden internationalen Unterstützung für Geflüchtete. Die Zahl der Geflüchteten, die über ihre Landesgrenze hinaus fliehen müssen, lag Anfang 2023 bei weltweit 35,8 Millionen: Das bedeutet einen Anstieg um 35 Prozent in nur einem Jahr und eine Verdopplung seit 2016. Es wird also deutlich, dass sich die Lage seit dem letzten GRF stark verändert hat.  

Samira*, eine 42-jährige Afghanin und lebt in Deutschland, sagt: 

„Ich habe viele Male darüber nachgedacht, mit meinen Kindern zusammen Afghanistan zu verlassen, aber ich konnte keine Möglichkeit finden, auf legalem Wege zu gehen. Ich habe von Schmugglern gehört, und dass sie helfen könnten. Doch die Schwester einer meiner engen Freunde ist im Meer ertrunken. Also habe ich beschlossen, dass das nicht der Weg sein kann, mein Leben zu retten. Ich würde eher in Afghanistan sterben als dort draußen im Meer... Zum Glück hat Deutschland mich dann über das Bundesaufnahmeprogramm aufgenommen. Als wir Afghanistan verließen, waren wir zwar nicht glücklich, aber wir waren sicher... Niemand ist glücklich, die Heimat zu verlassen. Aber wenn Menschen Hilfe brauchen, haben wir die Verantwortung, ihnen einen Weg in die Sicherheit zu ermöglichen.“ 

Das neue IRC-Informationspapierneue IRC-Informationspapier fordert die Bundesregierung und die internationale Gemeinschaft insbesondere zu mehr Einsatz auf für: 

Corina Pfitzner, IRC Deutschland Geschäftsführerin, kommentiert: 

,,In den vergangenen Jahren hat sich die Bundesregierung entscheidend in den globalen Bemühungen um den Schutz und die Schaffung neuer Perspektiven für Geflüchtete engagiert. Wir begrüßen Deutschlands Vorreiterrolle in den Multi-Stakeholder-Initiativen des Globalen Flüchtlingsforums, die Geschlechtergleichheit, den Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt, psychische Gesundheit und inklusive Bildung für Geflüchtete fördern. Diese eng miteinander verbundenen Themenbereiche erfordern ein gemeinsames Vorgehen, von Regierung und Zivilgesellschaft, mit dem Ziel wirksame Lösungen für Geflüchtete zu entwickeln. 

Eine frühzeitige, verlässliche, gerechte und qualitativ hochwertige Bereitstellung von Geldern ist dabei unerlässlich. Darüber hinaus ist eine Verstärkung der Unterstützung für lokal gesteuerte Initiativen notwendig. Die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit lokalen Organisationen und die Beteiligung von Binnenvertriebenen können in Zeiten begrenzter Ressourcen zu effektiveren und effizienteren Maßnahmen führen. Dies erfordert den Aufbau und die Weitergabe von Kapazitäten, um eine effektive und wirkungsvolle Beteiligung von frauengeführten Organisationen und Frauenrechtsorganisationen zu gewährleisten, die bislang nur einen geringen Anteil der verfügbaren Mittel erhalten. 

Für den Erfolg dieser Initiativen ist es entscheidend, dass Haushaltsmittel in ausreichendem und planbarem Umfang zur Verfügung stehen. Es ist erfreulich, dass, laut den aktuellen Aussagen, die deutschen Etats für humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit für 2024 nicht so drastisch gekürzt werden sollen wie ursprünglich geplant, doch der Ausgang der Haushaltsverhandlungen ist aktuell noch unklar. Für die kommenden Jahre sind weitere Kürzungen geplant. Die deutsche Regierung muss ihre Gestaltungsrolle beim Schutz von Geflüchteten durch eine strategische und langfristige Politik zur Stärkung des humanitären Systems und der globalen Entwicklungspolitik untermauern. Die Budgets für humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit müssen in einer angemessenen Höhe erhalten bleiben. Nur so können die Projektarbeit des Auswärtigen Amtes und des BMZ weiterhin ineinander greifen und aufeinander aufbauen um Geflüchtete weiterhin effektiv und nachhaltig zu unterstützen.” 

Harlem Désir, IRC-Vizepräsident für Europa, sagt: 

„Die Zahl der Menschen, die auf humanitäre Hilfe angewiesen sind, ist in den letzten zehn Jahren um das Vierfache gestiegen. Das zeigt deutlich, dass die internationale Gemeinschaft es nicht schafft, die Ursachen von Vertreibung zu beseitigen und vertriebene Menschen nicht angemessen unterstützt. 

Auf dem letzten Globalen Flüchtlingsforum vor vier Jahren verpflichtete sich die internationale Gemeinschaft diese Ursachen entschieden anzugehen und die Menschen bei jedem Schritt auf der Suche nach Schutz zu unterstützen. Heute sind wir noch weit davon entfernt, die Kernziele des Globalen Pakts für Flüchtlinge zu erreichen. Dieses Mal muss es anders laufen. Mutige, ehrgeizige Verpflichtungen sind zwar nötig, doch bleiben sie bedeutungslos, wenn ihnen keine konkreten Maßnahmen folgen.  

Um die Ziele zu erreichen, brauchen wir einen Fahrplan, der sicherstellt, dass Geflüchtete in ihren Aufnahmegemeinschaften arbeiten, sich frei bewegen und teilhaben können – als Arbeitgeber*innen, Angestellte, Steuerzahler*innen und Pionier*innen. Es erfordert einen besseren Zugang zu frühkindlicher Entwicklung und Bildung sowie zu Programmen für psychische Gesundheit und psychosoziale Unterstützung, damit Geflüchtete ihre schwierigen Erfahrungen verarbeiten können und eine echte Chance auf eine bessere Zukunft haben. Dazu braucht es die erneute Verpflichtung zum Schutz der Menschen. Der Schwerpunkt sollte auf ganzheitlichen Ansätzen liegen, die dazu beitragen, dass Kinder und ihre Bezugspersonen vor Gewalt und Ausbeutung sicher sind. Es erfordert außerdem mutige, ehrgeizige Zusagen und Maßnahmen für sichere Zugangswege, damit die Menschen nicht in Ländern festsitzen, die ihnen keinen Schutz und Perspektiven bieten können, oder auf der Suche nach Schutz auf gefährliche Routen getrieben werden. Dazu werden nicht nur mehr finanzielle Mittel benötigt – im Jahr 2022 waren die Hilfspläne für Geflüchtete weltweit zu 59 Prozent unterfinanziert – sondern auch flexiblere Mittel, die sowohl in Notsituationen als auch für längerfristige Unterstützung wirksam eingesetzt werden können. 

Und schließlich müssen die Stimmen und Erfahrungen von Geflüchteten in allen Projektphasen im Mittelpunkt stehen. Wenn es der internationalen Gemeinschaft nicht gelingt, dies in die Tat umzusetzen, werden viele der in dieser Woche gemachten Zusagen kaum mehr als Wunschdenken bleiben.“