Einem neuen IRC-Bericht zufolge ist die Zahl der in extremer Armut lebenden Menschen in den 13 besonders einkommensschwachen und konfliktbetroffenen Ländern seit Anfang der 1990er Jahre um mehr als 80 Prozent gestiegen. Dass gleichzeitig die Gesamtzahl der in extremer Armut lebenden Menschen weltweit um mehr als die Hälfte zurückgegangen ist, offenbart eine neue Geografie der extremen Armut. 

In diesen 13 Ländern lebt fast ein Viertel aller Menschen, die heute in extremer Armut leben, und bis zum Jahr 2030 - dem Zieljahr für die Verwirklichung der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) - werden nach Schätzungen der Weltbank bis zu zwei Drittel der Menschen, die in extremer Armut leben, in fragilen und konfliktbetroffenen Ländern leben. 

Der IRC-Bericht "The new geography of extreme poverty: How the World Bank can deliver for communities affected by conflict" zeigt wie wichtig das verstärkte Engagement der Weltbank für konfliktbetroffene Gemeinschaften ist. Die Weltbank muss ihre risikoscheuen, regierungsorientierten Ansätze, infolge der lebenswichtige Projekte und Dienstleistungen verzögert oder aussetzt werden, reformieren. Ohne diese Reform kann sie ihr oberstes Ziel nicht erfüllen und Menschen nicht erreichen, die von Konflikten betroffen sind und in Gebieten leben, zu denen Regierungen nur begrenzt oder gar keinen Zugang haben. Die Geographie der extremen Armut verändert sich; die Weltbank und die Instrumente zur Armutsbekämpfung müssen damit Schritt halten, um die am stärksten betroffenen Gemeinschaften zu unterstützen. Für diese Menschen werden die UN-Nachhaltigkeitsziele sonst zu einem gebrochenen Versprechen der internationalen Gemeinschaft.

IRC begrüßt die von Geberregierungen wie Deutschland angestoßenen Reformen der Weltbank, wie eine Aufstockung der Mittel der Internationalen Entwicklungsorganisation (IDA) und die Entwicklung einer eigenen Strategie für Ländern, die von Fragilität, Konflikten und Gewalt betroffen sind. Die vorgeschlagene Evolution Roadmap der Weltbank, der diese Woche in Marrakesch erörtert werden soll, legt den Schwerpunkt auf Fragilität, Konflikte und Gewalt - zusammen mit globalen Herausforderungen wie dem Klimawandel als Voraussetzung für die Beseitigung der Armut. 

Doch die Reform sollte noch weitreichender sein. Sonst besteht die Gefahr, dass die Entwicklung der extremen Armut und die Entwicklung der Institution, die sie beseitigen soll, auseinanderklaffen.

Die Jahrestagung bietet der Bundesregierung und den Weltbank-Mitgliedsländern die Chance, die Weltbank dabei zu unterstützen, durch:

  1. Neue, auf Menschen in fragilen und von bewaffneten Konflikten betroffenen Kontexten ausgerichtete Partnerschaftsmodelle einzuführen, die insbesondere in Partnerschaft mit nichtstaatlichen Akteuren Bevölkerungsgruppen außerhalb der Reichweite oder Kontrolle der Regierungen erreichen können;
  2. Bevorzugte Partnerschaft mit lokal geführten und von Frauen geführten Organisationen und Finanzierung von feministischen Ansätzen, um diskriminierende Geschlechterhierarchien abzubauen.
  3. Ressourcen zu skalieren, die besonders einkommensschwachen und von bewaffneten Konflikten betroffen Ländern über die Internationale Entwicklungsorganisation (IDA) erreichen, und eine starke IDA21-Aufstockung im Einklang mit der G20-Empfehlung zur Verdreifachung bis 2030 anzustreben.

Corina Pfitzner, Geschäftsführerin IRC Deutschland, kommentiert:

,,Diese Zahlen sprechen klar und deutlich: Trotz der globalen Entwicklungserfolge der letzten Jahrzehnte nimmt die extreme Armut in einigen Ländern zu und verfestigt sich. Dies gilt insbesondere für die Länder, in denen extreme Armut mit bewaffneten Konflikten und Klimaschocks einhergeht. Aktuell wird dort so jeder potenzielle Fortschritt auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung zunichtegemacht. Um ihr Ziel der weltweiten Armutsbekämpfung zu erreichen, muss die Weltbank ihre bisherigen Ansätze überdenken. Die aktuelle Lage erfordert neue Partnerschaften mit nichtstaatlichen Akteuren, verbesserte Mechanismen zur Einbindung der Zivilgesellschaft und die gezielte Bereitstellung von finanziellen Mittel in den von Konflikten betroffenen Regionen, in denen extreme Armut herrscht. 

Die derzeit in Marrakesch diskutierten Reformen wurden maßgeblich auch von der Bundesregierung angestoßen. Der notwendigenächste Schritt muss es nun sein, diese Reformen in konkrete Maßnahmen umzusetzen, um Menschen, die in fragilen Krisengebieten und in bewaffneten Konflikten leben, direkte Unterstützung zu bieten. Sollte nicht schnell gehandelt werden, um diese Reformen zu finanzieren und umzusetzen, besteht die Gefahr, dass die notwendige institutionelle Entwicklung der Weltbank nicht mit den schnell steigenden Bedarfen der extremen Armut schritthalten kann."