Während die Staats- und Regierungschef*innen der EU diese Woche über Resettlement-Programme für Geflüchtete beraten, ruft International Rescue Committee (IRC) die Mitgliedstaaten dazu auf, mehr sichere und reguläre Wege zu schaffen, um Menschen in Not zu schützen. 

Für schutzbedürftige Geflüchtete ist Resettlement, also die Umsiedlung von Geflüchteten aus Drittstaaten, eine der wenigen sicheren und regulären Möglichkeiten, um in die EU zu gelangen. Resettlement-Programme können für Menschen, die dauerhaft Sicherheit suchen, lebenswichtig sein und sind außerdem ein wichtiges Zeichen der Solidarität, das den Druck auf Länder mit einer ohnehin großen Zahl von Geflüchteten wie die Türkei, den Libanon, Pakistan und Uganda verringern kann. 

Der weltweite Resettlement-Bedarf war noch nie so hoch und steigt weiterhin: Dieses Jahr sind 2 Millionen Geflüchtete auf Resettlement-Maßnahmen angewiesen, während es 2022 noch 1,47 Millionen waren. Dennoch ist die EU ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen: Obwohl die EU zugesagt hatte, insgesamt 20.000 Geflüchtete über Resettlement-Programme aufzunehmen, kamen die EU-Staaten 2022 zusammen nur auf 16.695 Personen, was nur 1,1 Prozent des weltweiten Bedarfs entspricht. Im Durchschnitt wurden somit pro Mitgliedsstaat nur 618 Menschen aufgenommen. 

Nach Angaben des UNHCR haben im vergangenen Jahr nur 11 EU-Länder Geflüchtete über Resettlement ausgewählt und willkommen geheißen. Drei Viertel dieser Menschen kamen jedoch in nur drei Ländern – Deutschland (28,2 Prozent), Schweden (26,7 Prozent) und Frankreich (18,5 Prozent) – an. Beunruhigend bleibt, dass die Mehrheit der Mitgliedstaaten, darunter Österreich, Bulgarien, Kroatien, Luxemburg, Griechenland, Polen und Portugal, keine Aufnahmezusagen erteilt haben.  

Corina Pfitzner, Interim Geschäftführerin von IRC Deutschland, sagt dazu: 

„Die weltweite Zahl der Geflüchteten ist auf Rekordhöhe. Die direkte Aufnahme von Schutzsuchenden über Resettlement-Programme ist ein wichtiger Baustein des Einsatzes der Bundesregierung für diese Menschen. Um der Verantwortung noch besser gerecht zu werden und Solidarität mit den Erstaufnahmeländern zu zeigen, sollte das gemeinsame Resettlement-Programm aller EU-Mitgliedsstaaten auf 44.000 Aufnahmeplätze im Jahr 2024 erhöht werden. Die Bundesregierung sollte den positiven Trend des letzten Jahres fortsetzen und wie im Koalitionsvertrag angekündigt die Aufnahmezahlen weiter erhöhen. Insbesondere appellieren wir für die Ausweitung des Kontigents für Afghan*innen in Pakistan, um Schutzlücken im Bundesaufnahmeprogramm zu schließen. 

Es ist unerlässlich auf die steigenden Bedarfe weltweit zu reagieren. Neben ausgeweitetem Resettlement darf der fortgesetzte Zugang zum Asylverfahren in Deutschland nicht eingeschränkt werden. Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass Resettlement und Asylverfahren komplementäre Zugangswege sind und dass ein Nebeneinander weiterhin existieren muss, um effektiven Schutz zu gewähren und den EU-rechtlichen und völkerrechtlichen Verpflichtungen gerecht zu werden.“ 

Diese Woche startet die EU abermals einen Resettlement-Prozess mit begrenztem Aufnahmekontingent und fordert die einzelnen Mitgliedstaaten dazu auf, in den kommenden Monaten Zusagen für die Aufnahme von Geflüchteten in den Jahren 2024 und 2025 zu machen. IRC fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten zu mutigen Schritten auf: 

  1. ihre derzeitige Verpflichtung zum Resettlement von mindestens 15.897 Geflüchteten im Jahr 2023 einzuhalten, 
  2. vor dem Hintergrund des Wohlstands und der Größe Europas, dem Resettlement von mindestens 44.000 Geflüchteten im Jahr 2024 zuzusagen – ein erreichbarer Durchschnitt von etwas mehr als 1.500 Personen pro Mitgliedstaat –, 
  3. und den EU-Neuansiedlungsrahmen zu verabschieden, um eine strukturiertere, berechenbarere und langfristigere EU-Politik zu Resettlement zu schaffen. 

Harlem Desir, IRC-Vizepräsident Europa, sagt dazu: 

 ,,In dieser Zeit, in der die Bedarfe der Menschen immer größer werden, ist Resettlement von Geflüchteten entscheidend – nicht nur für die zwei Millionen Geflüchteten, die dringend Hilfe benötigen, sondern auch zur Unterstützung von den Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen, die etwa 83 Prozet der Geflüchteten weltweit aufnehmen. Resettlement ist auch ein grundlegender Baustein, um ein menschenwürdiges und effektives EU-Asyl- und Migrationssystem zu schaffen, das zukunfstfähig ist und schutzbedürftige Geflüchtete der Welt entlastet, anstatt sie in der Schwebe zu lassen oder sie dazu zu zwingen, gefährliche Fluchtwege auf sich zu nehmen. 

In den letzten Jahren waren die Resettlement-Zusagen der EU bestenfalls bescheiden und lagen weit unter ihren Kapazitäten. Während im vergangenen Jahr weniger als 17.000 Menschen über Resettlement nach Europa gelangten, nahmen die EU-Staaten rund 8 Millionen Geflüchtete auf, die aus der Ukraine fliehen mussten. Damit haben sie gezeigt, dass eine schnelle und würdevolle Aufnahme von Menschen sowie rechtlicher Schutz und Zugang zu sozialen Dienstleistungen auf einer Weise möglich ist, die sowohl den Geflüchteten als auch den lokalen Gemeinschaften Vorteile bringt. 

Wir fordern alle EU-Staaten auf, das durch die Reaktion der Ukraine erzeugte Momentum in Bezug auf den Schutz von Geflüchteten aufzugreifen und sich konsequent zu verpflichten, mehr schutzbedürftige Menschen im Jahr 2024 und 2025 aufzunehmen, und das im Einklang mit den internationalen Verpflichtungen der EU." 
 

Resettlement-Land         Anzahl der Resettlements im Jahr 2022 

Deutschland                      4.787 

Schweden                         4.535 

Frankreich                         3.136 

Niederlande                      1.473 

Spanien                            1.112 

Finnland                           1.084 

Irland                                   201 

Dänemark                           150 

Rumänien                             88 

Belgien                                 71 

Italien                                   58 
 

Alle EU-Staaten         16.695 

* Quelle: UNHCR Data Portal