Der 2022 G7-Gipfel war ein kritischer Moment, um eine umfassende außenpolitische Zeitenwende zu schaffen: von der Finanzierung präventiver, klimasensibler und geschlechtsspezifischer Maßnahmen zur Bekämpfung der weltweiten Hungerkrise, für feministische Ansätze und Geschlechtergerechtigkeit bis hin zum Schutz von Menschen auf der Flucht und der Stärkung des Zugangs für humanitäre Hilfe weltweit. Die richtigen Worte sind gefallen, denen jetzt Taten folgen müssen.

Die G7-Staaten haben sich zu neuen Maßnahmen und finanziellen Zusagen zur Bewältigung der weltweiten Hungerkrise verpflichtet. IRC begrüßt, dass die ‚Allianz für globale Ernährungssicherheit’ diese Fragen mit der nötigen politischen Dringlichkeit in enger Abstimmung mit der UN, Weltbank und betroffenen Staaten bearbeiten wird. Angesichts der Zahl von bis zu 47 Millionen Menschen, die Ende 2022 zusätzlich hungern werden, und der prognostizierten Lebensmittelknappheit braucht es Zusagen von mindestens 22 Milliarden US-Dollar. Die beim G7-Gipfel zugesagten Mittel von 4,5 Milliarden US-Dollar decken lediglich 20% des Bedarfs, der allein zur Bewältigung der akuten Bedarfe nötig ist. Zudem trägt Deutschland insgesamt nur 10% zu den zugesagten Mittel und damit angesichts der gewichtigen internationalen Geberrolle zu wenig bei. Neben weiteren Geldern muss sichergestellt werden, dass die von den G7 angekündigten Mittel rasch durch Hilfsorganisationen vor Ort eingesetzt werden können, um Menschen zu unterstützen. Dabei sollten bewährte Programme, die Bargeldhilfen auszahlen, Unter- und Mangelernährung behandeln und Kleinbäuer*innen unterstützen, priorisiert werden.

IRC begrüßt ausdrücklich die Deutlichkeit, in der die G7-Staaten die Völkerrechtsbrüche im Kontext des Kriegs in der Ukraine verurteilen und konkrete Maßnahmen ankündigen, um Verantwortliche zur Rechenschaft zu bringen. Die Verweigerung des humanitären Zugangs und gezielte Angriffe der  ukrainischen Zivilbevölkerung zählen zu den Rechtsverletzungen, zu denen sich die G7 nachdrücklich positionieren. Jetzt müssen die G7 diesen Worten Taten folgen lassen - in der Ukraine und in alle Krisenkontexten, in denen die Grundpfeiler der regelbasierten internationalen Ordnung mit Füßen getreten werden. 

Das Bekenntnis der G7-Staats- und Regierungschef*innen zu einer feministischen Außen- und Entwicklungspolitik sendet angesichts der Herausforderungen, aber auch dem Potenzial von krisenbetroffenen Frauen und Mädchen das richtige Signal. IRC begrüßt die G7-Selbstverpflichtungen, der traurigen Realität von geschlechtsspezifischer Gewalt in Konflikten durch mehr Einsatz für Prävention, Dokumentation und Rechenschaftspflicht entgegenzutreten. Hierzu braucht es zusätzliche finanzielle Zusagen, die neben der Umsetzung weiterer Zusagen zur Stärkung der Geschlechtergerechtigkeit im angekündigten, jährlichen G7 Gleichstellungsmonitoring nachverfolgt werden sollten. 

Nicht zuletzt aufgrund des Ukrainekriegs sind mehr Menschen denn je zur Flucht gezwungen. Das Bekenntnis der G7-Staaten zum Schutz und der Unterstützung von Geflüchteten, Binnenvertriebenen und ihren Aufnahmegemeinden ist ein bedeutendes politisches Signal der Solidarität. Hierzu zählt auch die Selbstverpflichtung zur Ausweitung von humanitären Aufnahmeprogrammen. Um dem Eigenanspruch von gelebter, globaler Verantwortungsteilung gerecht zu werden, sollten Ansätze umgesetzt werden, die sich vorrangig an den Bedürfnissen der geflüchteten Menschen und nicht an sicherheitspolitischen Interessen orientieren.

Zur G7-Abschlusserklärung sagt Ralph Achenbach, IRC Deutschland Geschäftsführer:

,,Noch nie waren humanitäre Bedarfe so hoch wie heute und so viele Menschen auf der Flucht. Vom G7-Gipfel in Elmau sind wichtige Signale ausgegangen im internationalen Einsatz gegen die globale Hungerkrise und völkerrechtliche Straflosigkeit in Konflikten, für Geschlechtergerechtigkeit und die solidarische Unterstützung von Geflüchteten.

Doch das Abschlussdokument des G7-Gipfels weist blinde Flecken auf. Die Ukrainekrise hat weitreichende humanitäre Auswirkungen auf die ganze Welt. Andere Krisen dürfen nicht vernachlässigt werden, auch wenn der Krieg in der Ukraine viel Aufmerksamkeit verlangt. Die weltweite Solidarität mit und politische Nachdrücklichkeit zum Schutz der Rechte von Ukrainer*innen sollte der neue Standard für alle krisenbetroffenen Menschen weltweit sein.

Jetzt gilt es sicherzustellen, dass die Bundesregierung die verbleibenden Monate der G7- Präsidentschaft für konkrete Entscheidungen nutzt, die das Leben und die Lebensgrundlagen von krisenbetroffenen Menschen sichern und nachhaltig verbessern. Worten müssen Taten folgen. Das allein kann der Gradmesser für den Erfolg der deutschen G7-Präsidentschaft sein.”