IRC-Statement anlässlich der Tagung des EU-Rates Justiz und Inneres (JI), der am 8. und 9. Juni 2023 über den Neuen Pakt zu Asyl und Migration beraten wird.

Imogen Sudbery, Senior Directorin für Advocacy in Europa, sagt:

,,Die EU-Innenminister*innen haben die einmalige Gelegenheit, endlich die Lähmung zu überwinden, die Europa daran hindert, ein faires, humanes Migrationssystem zu schaffen, das Europa dringend braucht. Um jedoch sicherzustellen, dass diese Reformen die verheerende Schutzkrise an den europäischen Grenzen wirksam angehen und einige der schlimmsten Elemente des derzeitigen Systems nicht verfestigen, müssen die EU-Staats- und Regierungschef*innen drei zentralen Fragen Priorität einräumen.

Erstens müssen sie sicherstellen, dass der neue Pakt ein konkretes, vorhersehbares System schafft, mit dem die Staaten die Verantwortung mit den Erstankunftsländern teilen. Im Mittelpunkt sollten dabei Umsiedlungen stehen - eine bewährte Form der Solidarität sowohl mit Asylbewerber*innen als auch mit den Staaten, die sie aufnehmen. Alle anderen "flexiblen" Formen der Solidarität, wie z. B. finanzielle Unterstützung, sollten nur dazu dienen, die Menschen mit Respekt und Würde aufzunehmen, und nicht dazu, noch mehr Anstrengungen zu unternehmen, um Geflüchtete abzuschrecken oder zurückzuhalten.

Zweitens müssen sie dafür sorgen, dass Geflüchtete mit Würde und Menschlichkeit behandelt werden, indem sie auf beschleunigte Grenzverfahren verzichten, die wichtige Sicherheitsvorkehrungen verringern. In seiner jetzigen Form besteht die reale Gefahr, dass der Neue Pakt dazu führen könnte, dass noch mehr Menschen - darunter auch Kinder - an den europäischen Grenzen unter haftsähnlichen Bedingungen festgehalten werden. Die Erfahrungen von IRC aus Ländern wie Griechenland zeigen, dass die Unterbringung von Menschen in abgelegenen Einrichtungen, unter ständiger Überwachung und hinter Stacheldrahtzäunen, ihre Integration in die örtlichen Gemeinschaften verhindert und verheerende Auswirkungen auf die psychische Gesundheit der Menschen hat. Angesichts der Traumata, die viele Geflüchtete auf dem Weg nach Europa erlebt haben, ist es an der Zeit, den Schwerpunkt von Mauern auf die Aufnahme zu verlagern.

Schließlich müssen die EU Staats- und Regierungschef*innen diese Chance nutzen, um die besorgniserregenden Rückschritte beim Zugang zum Asylrecht in Europa anzugehen. Es sollte undenkbar sein, dass schutzbedürftige Menschen an Europas Grenzen mit gewalttätigen Zurückweisungen empfangen werden. Der Pakt muss eine Verpflichtung zu robusten unabhängigen Grenzüberwachungsmechanismen enthalten, die befugt sind, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen."