Berichten zufolge sind seit Anfang Oktober bis zu 200.000 Menschen aus Pakistan nach Afghanistan zurückgekehrt. International Rescue Committee (IRC) unterstützt Familien in Geflüchtetenlagern am Grenzübergang Torkham mit medizinischer und psychosozialer Versorgung sowie Hygienedienstleistungen.

Seit die pakistanische Regierung am 3. Oktober die Ausreise aller Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung aus Pakistan angeordnet hat, sind Tausende afghanische Familien in Torkham in der Provinz Nangarhar angekommen. IRC hat ein mobiles Gesundheitsteam entsandt, das bisher über 1.700 Menschen mit medizinischer Notfallversorgung, Gesundheitsversorgung für Mütter, Nahrungsmitteln und psychologischer Betreuung erreicht hat. Gleichzeitig leisten IRC-Teams psychosoziale Unterstützung für gefährdete Gruppen, einschließlich Frauen und Kinder, installieren Latrinen sowie Abfallentsorgungsanlagen und informieren über die Prävention von übertragbaren Krankheiten.

Naseeb Mashal, Regionaler Koordinator für IRC in Afghanistan, sagt: 

,,Die Bedarfe in Torkham sind immens und werden weiter steigen, denn jeden Tag kommen Hunderte von Familien an. Unser Gesundheitsteam hat viele Menschen, darunter auch viele Kinder, mit schweren Verletzungen behandelt, die sie sich auf dem langen und beschwerlichen Weg durch die Berge nach Afghanistan zugezogen haben. Darüber hinaus sind viele der neu Ankommenden Frauen und Mädchen, die in Situationen wie dieser erfahrungsgemäß besonders von Ausbeutung und Missbrauch bedroht sind. 

Die nächsten Monate werden besonders herausfordernd sein: Staatliche Einrichtungen und das Gesundheitssystem sind nicht dafür ausgestattet, die Bedarfe der zurückkehrenden Menschen zu decken. Die internationale Gemeinschaft muss dringend Mittel für humanitäre Hilfe bereitstellen, damit die Bedarfe der Tausenden von Menschen an den Grenzübergängen und dort, wo sich die Familien niederlassen, erfüllt werden können. Angesichts des nahenden Winters ist IRC besonders besorgt um das Überleben der Menschen, die in Zelten oder unter freiem Himmel schlafen. Die Temperaturen sinken weiter und für Mitte Dezember werden starke Regenfälle erwartet. 

Es ist davon auszugehen, dass in den nächsten sechs Monaten immer mehr Menschen ankommen werden. Doch die Krisenbedingungen, unter denen sie leben müssen, werden viel länger bestehen bleiben. Nach jahrzehntelangen Konflikten, Instabilität und Wirtschaftskrisen wird Afghanistan die Familien kaum angemessen aufnehmen können, zumal viele von ihnen seit Jahrzehnten nicht mehr im Land gelebt haben. Inmitten von über sechs Millionen Binnenvertriebenen sehen die aus Pakistan zurückkehrenden Afghan*innen einer düsteren Zukunft entgegen.”

Corina Pfitzner, Geschäftsführerin IRC Deutschland, kommentiert:

"Während meiner Reise nach Afghanistan vor kurzem habe ich mit vielen unserer Klient*innen und Menschen vor Ort, auch in Nangarhar, gesprochen. Viele Afghan*innen stehen jeden Tag vor der Herausforderung, ihr Überleben zu sichern. Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag dazu verpflichtet, eine humanitäre Katastrophe in Afghanistan zu verhindern. Dennoch ist die humanitäre Hilfe für Afghanistan drastisch reduziert worden. Ich appelliere an die Bundesregierung, jetzt die Hilfen für Afghanistan aufzustocken, damit Organisationen wie IRC auch an der Grenze zu Pakistan die Menschen bestmöglich unterstützen können.  

Gleichzeitig braucht es aber auch endlich eine längerfristige Strategie für Afghanistan, um der Wirtschaftskrise als einer der größten Treiber der humanitären Krise zu begegnen. Hier sollte die Bundesregierung mehr in die strukturbildende Entwicklungszusammenarbeit investieren, die durch unabhängige Partnerorganisationen vor Ort umgesetzt wird. Nur so kann es für die vielen rückkehrenden Afghan*innen eine Chance für einen Neuanfang in Afghanistan geben. 

Wir betrachten mit Sorge inwieweit auch Afghan*innen von den Ausweisungen betroffen sind, die aus Pakistan über humanitäre Aufnahmeprogramme oder Resettlement in Drittstaaten wie Deutschland aufgenommen werden sollen. Die Bundesregierung sollte sich dafür einsetzen, dass Afghan*innen, die für das Bundesaufnahmeprogramm ausgewählt wurden, sich temporär bis zu ihrer Ausreise und in Sicherheit in Pakistan aufhalten können. Jetzt ist der Zeitpunkt, die Ausreise einer möglichst hohen Zahl von Afghan*innen über das Bundesaufnahmeprogramm umzusetzen."

IRC in Afghanistan
International Rescue Committee (IRC) ist seit 1988 in Afghanistan tätig und arbeitet heute in Tausenden von Dörfern in insgesamt zwölf Provinzen. Während die Bevölkerung Schwierigkeiten hat, sich vom anhaltenden Konflikt und Naturkatastrophen zu erholen, unterstützt IRC Gemeinden vor Ort dabei, Entwicklungsprojekte zu ermitteln, zu planen und umzusetzen. IRC bietet sichere Lernorte in ländlichen Gebieten, gemeindebasierte Bildungsmaßnahmen, grundlegende Gesundheitsversorgung für abgelegene und schwer zugängliche Gemeinden sowie Bargeldhilfen. Außerdem versorgt IRC vertriebene Familien mit Zelten, sauberem Wasser, sanitären Anlagen und anderen lebensnotwendigen Gütern und unterstützt Menschen bei der Sicherung ihres Lebensunterhalt und der Stärkung ihrer Resilienzkapazitäten