Am 25. März 2024 verabschiedete der UN-Sicherheitsrat eine Resolution für einen sofortigen Waffenstillstand in Gaza. Nur wenige Tage danach erließ auch der Internationale Gerichtshof zusätzlich vorläufige Maßnahmen im Völkermord-Prozess von Südafrika gegen Israel. Die Angriffe in Rafah nehmen zu. Insgesamt 13 humanitäre und Menschenrechtsorganisationen warnen: Die internationale Gemeinschaft muss jetzt handeln, um die Umsetzung der Resolution zu gewährleisten und weitere Gräueltaten in Rafah zu verhindern. 

Letzte Woche machte die israelische Regierung deutlich, die Militäroperationen in Rafah ausweiten zu wollen – ungeachtet der rechtsverbindlichen UN-Sicherheitsratsresolution für einen Waffenstillstand. In der letzten Woche entfaltete sich dieses Szenario nun vor den Augen der Welt. Allein am 26. und 27. März 2024 wurden durch israelische Bombardierungen mindestens 31 Menschen – darunter 14 Kinder – in Rafah getötet. Humanitäre Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen warnen wiederholt, dass die geplante israelische Bodenoffensive in Rafah das Leben von mehr als 1,3 Millionen Zivilist*innen, darunter mindestens 610.000 Kinder, direkt bedroht.

Es gibt keinen realistischen Evakuierungsplan oder Bedingungen, welche die Zivilbevölkerung bei einer Bodenoffensive schützen würden. Israel ist nach humanitären Völkerrecht dazu verpflichtet ,,alle möglichen Maßnahmen" zu ergreifen, um evakuierte Zivilist*innen zu schützen. Die Zivilbevölkerung muss mit überlebenswichtigen Gütern versorgt werden und eine sichere Rückkehr nach Kriegsende muss garantiert sein. Nur so ist das absolute Verbot der Zwangsumsiedlung und Deportation nach dem humanitären Völkerrecht einzuhalten. Dafür bedarf es angemessene Schutz- und Sicherheitsmaßnahmen und die Bereitstellung von Unterkünften, Wasser, Nahrungsmitteln, sanitären Einrichtungen und medizinischer Versorgung. Bis heute sind diese Bedingungen nicht erfüllt. Der seit sechs Monaten anhaltende Krieg und Israels Bombardierung haben mehr als 60 Prozent der Wohnungen und Häuser in Gaza beschädigt oder zerstört. Der Großteil der Infrastruktur im Norden und in der Mitte Gazas ist vernichtet.

Es gibt in Gaza keinen sicheren Rückzugsort. Die israelischen Streitkräfte haben wiederholt Gebiete angegriffen, die sie zuvor als ,,sicher" gekennzeichnet hatten. Bei israelischen Luftangriffen in und um die sogenannte ,,sichere Zone” von Al-Mawasi wurden mindestens 28 Menschen getötet. Israelische Bodentruppen sind in den nördlichen Teil der ,,sicheren Zone” eingedrungen und haben diesen besetzt. Sogar wenn humanitäre Organisationen die Standorte ihrer Einsätze und ihrer Mitarbeitenden an die israelische Armee weitergeben, werden sie in ganz Gaza weiterhin angegriffen. Mitarbeitende von Hilfsorganisationen werden getötet und Hilfskonvois geraten unter israelischen Beschuss. Von humanitären Organisationen unterstützte Unterkünfte und Krankenhäuser werden durch israelischen Beschuss beschädigt oder zerstört. Neue Vorschläge der israelischen Regierung, die Zivilbevölkerung in sogenannte ,,humanitäre Inseln" zu zwingen, täuschen eine falsche Sicherheit vor. Stattdessen wird die Zivilbevölkerung in kleine, begrenzte und unterversorgte Gebiete gezwungen, in denen sie der Gefahr von Angriffen ausgesetzt ist – egal ob innerhalb oder außerhalb dieser ,,Inseln".

Nirgendwo in Gaza gibt es Zugang zu ausreichenden Hilfsleistungen, um das Überleben der Zivilbevölkerung zu sichern. In Rafah funktionieren die wichtigsten Dienste und Infrastrukturen nur eingeschränkt, darunter überlastete Krankenhäuser, Bäckereien und Wasser- und Abwasseranlagen. Die Mitte und der Norden Gazas sind vollständig zerstört. Ganze Infrastrukturen und Stadtviertel sind von der Landkarte verschwunden. Der Zugang für humanitäre Organisationen und Hilfsorganisationen ist weiterhin eingeschränkt. Der Großteil der seit Oktober 2023 aufgebauten Infrastruktur der humanitären Koordination befindet sich in Rafah. Eine weitere Eskalation der israelischen Militäroperationen in Rafah hätte katastrophale Folgen für die bereits gelähmte humanitäre Hilfe in ganz Gaza. 

Die internationale Gemeinschaft steht in der Pflicht des humanitären Völkerrechts, Bevölkerungen vor Gräueltaten zu schützen. Kinder und Familien in Rafah leben in ständiger Angst und Gefahr. Die israelische Regierung hat angekündigt, ihre Militäroperationen nach Rafah auszuweiten. Am 31. März 2024 genehmigte das israelische Kriegskabinett Pläne für Bodenoffensiven im südlichsten Gouvernement Gazas. Damit eskaliert die Gefahr weiter. Einige Staaten haben öffentlich ihre Missbilligung ausgedruckt. Aber der internationale diplomatische Druck hat bisher nicht ausgereicht, um den geplanten Einmarsch zu verhindern. Dabei stehen allen Staaten nach internationalem Völkerrecht Optionen zum Schutz der Zivilbevölkerung zur Verfügung. Diese stehen in Einklang mit den Verpflichtungen des humanitären Völkerrechts und den Menschenrechten. Eben diese Optionen wurden bereits bei anderen Krisen zum Schutz von Zivilist*innen angewandt. 

Die internationale Gemeinschaft muss dringend Maßnahmen ergreifen, um die sofortige Umsetzung eines dauerhaften Waffenstillstands zu gewährleisten. Der Schutz von Zivilist*innen in Gaza muss garantiert und das humanitäre Völkerrecht muss geachtet werden. Dazu gehört auch die sofortige Einstellung von Waffen- und Munitionslieferungen, wenn mit diesen schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und die Menschenrechte begangen werden könnten. Alles andere ist nicht nur ein Versagen, sondern wird auch den moralischen, humanitären und rechtlichen Geboten nicht gerecht.
 

Unterzeichnende Organisationen

  1. Save the Children
  2. International Federation for Human Rights
  3. Amnesty International
  4. Doctors of the World/Médecins du Monde France, Spain and Switzerland
  5. ActionAid International
  6. Oxfam International
  7. Norwegian Refugee Council
  8. Plan International
  9. Handicap International Humanity & Inclusion
  10. Medical Aid for Palestinians (MAP)
  11. International Rescue Committee (IRC)
  12. Danish Refugee Council
  13. DanChurch Aid