International Rescue Committee (IRC) warnt vor einer neuen Krise in Syrien, da der seit Jahren erste bestätigte Choleraausbruch für einen rasanten Anstieg der die Fallzahlen sorgt.

Seit der Meldung des Ausbruchs am 10. September ist die Zahl der mutmaßlichen Cholerafälle im Nordosten Syriens (NES) nach Angaben der NES Health Working Group auf 2.092 gestiegen. Bislang sind zehn Todesfälle gemeldet worden. Es wird jedoch befürchtet, dass nicht nur im Nordosten, sondern auch in anderen nördlichen Gebieten des Landes deutlich zu wenig Verdachtsfälle gemeldet werden. IRC warnt, dass die Zahl der schwer erkrankten Menschen weiter ansteigen wird, wenn sie nicht unter Kontrolle gebracht wird.

Cholera wird durch die Aufnahme von verunreinigtem Wasser oder Lebensmitteln verursacht, was in Zeiten von Dürre, Konflikten oder Überbevölkerung schwer zu vermeiden ist. Die Krankheit kann sich in Ländern wie Syrien, wo es derzeit mehr als sieben Millionen Binnenvertriebene gibt, schnell ausbreiten. Viele von ihnen leben in Zelten und Behelfsunterkünften und haben nur begrenzten Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen wie sauberem Wasser, Toiletten, Waschgelegenheiten und Müllentsorgung.

Der Zugang zu sauberem Trinkwasser stellt für das vom Krieg zerrissene Land eine massive Herausforderung dar. Aktuell gibt es 40% weniger Trinkwasser als vor zehn Jahren, vor Beginn des Konflikts. Die Wasserknappheit wird durch den Klimawandel noch verschärft. Die Ursache des Choleraausbruchs wird in dem verunreinigten Wasser aus dem Euphrat-Fluss vermutet. Dieser ist die Hauptwasserquelle für 800.000 bis 1,2 Millionen Menschen. In den ländlichen Gebieten Syriens reicht die leitungsgebundene Wasserversorgung nicht aus, um die Grundbedürfnisse der Bevölkerung zu decken, und viele sind auf der Suche nach alternativen Wasserquellen. Aufgrund der zeitgleichen Auswirkungen des Zusammenbruchs der Infrastruktur und der Wasserknappheit ist ein zunehmender Teil der Bevölkerung auf Wasser aus Lastwagen angewiesen, das häufig von privaten Unternehmen geliefert wird. Dies sind nicht reguliert, teuer und nutzen ungeschützte Wasserquellen wie den Euphrat, wo Abwässer direkt in den Fluss fließen.

Tanya Evans, IRC-Landesdirektorin Syrien, sagt:

Der Choleraausbruch bedroht Hunderttausende von Syrer*innen, die bereits durch Hunger, Konflikte und den bevorstehenden Winter gefährdet sind. Im ganzen Land sind inzwischen rund 70% der Bevölkerung auf Hilfe angewiesen, um ihre Grundbedürfnisse zu decken. Ein Jahrzehnt des Konflikts hat dazu geführt, dass das Gesundheitssystem in Syrien äußerst fragil ist und nur über unzureichende Mittel verfügt. Dies macht es sehr viel schwieriger auf mögliche Epidemien oder Ausbrüche wie diesen zu reagieren. Trotz des enormen Bedarfs werden sowohl die Finanzmittel als auch die politische Aufmerksamkeit immer geringer, die aber zur Bewältigung der Krise erforderlich sind. Der Choleraausbruch zeigt, dass wir Syrien jetzt mehr denn je nicht aus den Augen verlieren dürfen."

Aufgrund der Auswirkungen des Konflikts auf das syrische Gesundheitssystem sind schätzungsweise 12,2 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen, um auch nur Zugang zu grundlegenden Gesundheitsdiensten zu erhalten. Das sind mehr als 70% der Gesamtbevölkerung. Fast die Hälfte der Menschen, die medizinische Betreuung benötigen, lebt im Nordosten, wo derzeit die höchste Konzentration von Cholerafällen zu verzeichnen ist, und im Nordwesten Syriens, einer Region, die fast ausschließlich von grenzüberschreitender medizinischer Hilfe abhängt. Im ganzen Land sind nur 65% der Krankenhäuser und 56% der öffentlichen Gesundheitszentren voll funktionsfähig.

IRC hat alle Gesundheitseinrichtungen, mit denen es in Syrien zusammenarbeitet, mit wichtigen Hilfsgütern für die Prävention, Kontrolle und Behandlung von Cholera versorgt. Zu diesen Maßnahmen gehören die Schulung des klinischen Personals und der Gesundheitshelfer*innen in den Gemeinden in Bezug auf die Erkennung und Behandlung von Cholerafällen, die Gesundheits- und Hygieneaufklärung durch Hausbesuche sowie die Verteilung von Mitteln gegen Erbrechen und Durchfall.

Nun ist schnelles und dringendes Handeln von entscheidender Bedeutung. IRC fordert die internationale Gemeinschaft auf, unverzüglich zusätzliche Mittel für Wasser-, Sanitär- und Hygieneprojekte (WASH) bereitzustellen und die Akteure des Gesundheitswesens weiter zu unterstützen. Nur so kann die Ausbreitung von Cholera gestoppt werden, bevor die Lage ein verheerenderes Ausmaß annehmen wird.