Der 28-jährige Sahib* kam 2021 mit seiner Frau und seinen zwei Kindern nach Großbritannien, nachdem er seine Heimat Afghanistan verlassen hat. Heute lebt die Familie in Südostengland, wo sie durch das Integrationsprogramm von IRC unterstützt werden. IRC hilft Geflüchteten dabei, sich in ihrer neuen Gemeinschaft zurechtzufinden und selbstbestimmt ihr Leben zu gestalten. 

Hier schreibt Sahib, wie die Familie zum ersten Mal in ihrem neuen Zu Hause die Fastenzeit feiert. 

Ramadan ist der heiligste Monat im Islam. Mit voller Vorfreude bereiten wir uns wochenlang vor, indem wir besondere Gerichte für den Monat zubereiten. 

Für meine Familie ist es der erste Ramadan, den wir in Großbritannien begehen. Es ist ein großer Unterschied im Vergleich zu unseren Traditionen in Afghanistan. Hier sind wir vom Rest unserer Familie getrennt und leben fernab von jeglichen muslimischen Gemeinschaften. 

Keine andere Wahl als die Heimat zu verlassen 

Im August 2021 kam ich mit meiner Frau Hajra, die 25 Jahre alt ist, und meinen Töchtern Maryam und Ghazala, 5 und 4 Jahre alt, nach England. In Afghanistan habe ich für die britische Armee gearbeitet. Deshalb erhielt ich nach der Machtübernahme der Taliban Todesdrohungen. Um meine Familie in Sicherheit zu bringen, blieb mir keine andere Wahl, als meine Heimat zu verlassen.

Der Abschied war plötzlich und schmerzhaft. Wir weinten als wir den Rest der Familie zurücklassen mussten. Diesen Moment werde ich nie vergessen. Ich mache mir jeden Tag Sorgen um meine Eltern, die immer noch in Gefahr sind. 

Wir weinten als wir den Rest der Familie zurücklassen mussten. Diesen Moment werde ich nie vergessen.

Nach unserer Ankunft in Großbritannien wurden wir von der Regierung nach Manchester geschickt. Dort mussten wir zehn Tage in Quarantäne verbringen, als Vorsichtsmaßnahme gegen COVID-19.

Danach wohnten wir zwei Monate in einem Hotel in London, bis wir in ein Haus im Südosten Englands umziehen konnten. Seitdem leben wir hier. 

In einem Zimmer mit Teppichboden stehen Sahibs Töchter zwischen ihren Spielsachen.
Meine Tochter mit ihren Spielsachen in unserem neuen Zuhause im Südosten Englands.
Foto: Dieses Bild wurde von Sahib zur Verfügung gestellt.

Ramadan mit Fernweh feiern

Ramadan ist ein Monat der Dankbarkeit, des Rezitieren des Heiligen Korans, des Gebets und des Fastens. Wenn ich faste, reinigt es mein Herz von schlechten Taten und hält mich davon ab, Böses zu tun. Ich suche Vergebung für meine Sünden und arbeite an meiner Selbstdisziplin. 

Als Muslim in Großbritannien vermisse ich besonders das Gemeinschaftsgebet „Salah, Taraweeh“. Aus sozialer und spiritueller Sicht finde ich es schöner in der Gruppe in einer Moschee zu beten.  Beim „Salah, Taraweeh" reihen wir uns in langen geraden Reihen hinter dem Imam - normalerweise die Person, die am besten mit dem Koran vertraut ist - und wenden uns in Richtung der heiligen Moschee in Mekka. Mir fehlen die Worte, um zu beschreiben, wie sehr ich dieses besondere Gebet vermisse. Hier in Großbritannien leben wir in einem Dorf ohne Moschee. 

Tausende Kilometer trennen uns von unserer Familie und wir haben keine Möglichkeit, Ramadan mit ihnen zu feiern. Dafür sprechen wir mit ihnen am Telefon und teilen unsere Erlebnisse und Herausforderungen. Besonders Videotelefonate mit meinen Eltern machen mich glücklich. Meine Töchter sind meinen Eltern sehr wichtig. Der tägliche virtuelle Austausch bedeutet uns allen sehr viel. 

Die einzige Möglichkeit, dieses Jahr Ramadan mit meiner Familie zu feiern, bieten Audio- oder Videoanrufe, in denen wir für ihre Sicherheit und Gesundheit beten. 

Die einzige Möglichkeit, dieses Jahr Ramadan mit meiner Familie zu feiern, bieten Audio- oder Videoanrufe, in denen wir für ihre Sicherheit und Gesundheit beten.

Ich habe eine große Familie zu Hause und ich bin traurig, wenn ich nicht mit ihnen reden kann. Vor allem liebe ich meine Mutter. Sie ist krank und unsere Abreise hat sie zutiefst getroffen. Meine Frau, meine Töchter und ich beten für die sichere Ausreise unserer Familie, damit wir eines Tages Ramadan gemeinsam in Großbritannien feiern können. 

Ramadan als Zeit der Dankbarkeit und Besinnung

Unser letzter Prophet, Mohammad (Friede sei mit ihm), brach sein Fasten mit reifen Datteln vor dem Gebet. Meine Frau und ich folgen dieser Tradition. Das gemeinsame Kochen mit ihr, nach meinen Kindern zu schauen und das Fastenbrechen mit meiner Familie sind die schönen Momente im Leben.

Eine Iftar-Mahlzeit bestehend aus einem südasiatischem Erfrischungsgetränk, frittierte Gemüsebällchen, Obstsalat, Spinat, Datteln, Lamm, Reis mit Lammfleisch, Soße aus Kräutern, Gewürzen, sauren und süßen Zutaten mit scharfen grünen Chilis, Brot.
Ein Iftar-Mahlzeit bestehend aus einem südasiatischem Erfrischungsgetränk, frittierte Gemüsebällchen, Obstsalat, Spinat, Datteln, Lamm, Reis mit Lammfleisch, Soße aus Kräutern, Gewürzen, sauren und süßen Zutaten mit scharfen grünen Chilis, Brot.
Foto: Dieses Bild wurde von Sahib zur Verfügung gestellt.

Meine Botschaft an die Familien, die den Ramadan in ihrer neuen Heimat feiern, lautet:   

Trotz der anfänglichen Herausforderungen kann ich endlich aufatmen.

 

Trotz der anfänglichen Herausforderungen kann ich endlich aufatmen. Ich habe ein neues Leben und bin jetzt in einem sicheren Land. Ich habe immer davon geträumt, in Großbritannien zu leben und bin froh, hier zu sein. Die Menschen sind freundlich und sie respektieren uns. Ich freue mich auf all das, was vor mir liegt. 

*Pseudonym zum Schutz der Privatsphäre verwendet 

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