
Somalia: Klimawandel, Ernährungsunsicherheit und Vertreibung
Wie Somalias Frauen ihre Familien schützen

Wie Somalias Frauen ihre Familien schützen
Somalia steht vor einer der komplexesten humanitären Krisen der Welt. Schwere Dürren, gefolgt von heftigen Überschwemmungen, haben die Lebensgrundlagen von Bäuerinnen, Bauern und Hirt*innen zerstört. Viele Familien wurden vertrieben und voneinander getrennt. Vier mutige somalische Mütter erzählen, wie sie ihre Familien sicher und gesund durch diese schwierige Zeit führen.
Mehrere sich überschneidende Krisen prägen den Alltag der Menschen in Somalia. Wiederkehrende Klimaschocks – ein ständiger Wechsel zwischen Dürren und Überschwemmungen – haben Ernten vernichtet, Wasserquellen versiegen lassen und Tausende Menschen zur Flucht gezwungen. Die Ernährungsunsicherheit ist gravierend: 4,6 Millionen Menschen befinden sich in einer akuten Ernährungskrise, darunter fast eine halbe Million Kinder in lebensbedrohlichem Zustand. Bis Ende 2025 wird erwartet, dass 1,8 Millionen Kinder unter fünf Jahren an akuter Mangelernährung leiden werden.
Der eingeschränkte Zugang zu sauberem Wasser und sanitären Einrichtungen begünstigt den Ausbruch von Krankheiten wie Cholera und Diphtherie. Vertriebene Frauen und Mädchen sind zudem vermehrt geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt und haben häufig keinen ausreichenden Zugang zu Gesundheitsdiensten im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit. Finanzielle Kürzungen in der internationalen Zusammenarbeit haben zur Aussetzung von Projekten, zur Schließung von Kliniken und zum Rückgang von Ernährungs- und WASH-Programmen (Wasser-, sanitäre und Hygienedienste) geführt. Für viele Familien bedeutet das, dass sie keinen Zugang mehr zur Grundversorgung mit sauberem Wasser, Nahrung und medizinischer Versorgung haben oder ihre Lebensgrundlage verlieren und sich an das Leben in Städten anpassen müssen.
Unter diesen schwierigen Lebensbedingungen tragen Mütter in Somalia die Hauptlast, um das Überleben ihrer Familien zu sichern. Traditionell auf Fürsorge fokussiert, übernehmen somalische Frauen zunehmend die Rolle der alleinigen Versorgerinnen, weil sie getrennt von ihren Partnern leben oder Männer nur eingeschränkte Möglichkeiten haben, die Familie zu ernähren. Shukri Abdulkadir, Programmkoordinatorin für Entwicklung und Kommunikation bei IRC Somalia, betont: „Angesichts dieser Herausforderungen handeln somalische Mütter weiterhin mit Stärke und Mitgefühl und übernehmen oft führende Rollen in ihren Gemeinschaften. Ihre Widerstandskraft, ihr tiefes kulturelles Wissen und ihr unerschütterliches Engagement für ihre Kinder machen sie nicht nur zu Säulen ihrer Haushalte, sondern auch zu starken Akteurinnen des Wandels in der humanitären Hilfe Somalias.“ Gemeinsam mit ihrem Team hat Shukri vier somalische Frauen getroffen, die eine der komplexesten humanitären Krisen der Welt mit Mut, Resilienz und Hoffnung meistern. Dieser Artikel erzählt ihre Geschichten.
Ruwaydo Abdi Jaliil, Mutter von vier Kindern, lebt in einer provisorischen Hütte in einem Lager für Binnenvertriebene in Guriceel. Sie musste ihre Wohnung aufgeben, weil sie die Miete nicht mehr bezahlen konnte. Als Reinigungskraft verdient sie kaum genug, um ihre Kinder zu ernähren. Als bei ihrem vierjährigen Sohn Ridwan Mangelernährung festgestellt wurde, suchte sie Hilfe in einer von IRC unterstützten Klinik, wo er mit Ready-to-Use Therapeutic Food (RUTF) behandelt wurde. Ruwaydo ist dankbar für die Klinik und den Wasseranschluss hinter ihrer Hütte. Dennoch bleibt der Alltag hart: Die Hütte heizt sich in der Sonne stark auf, und während der Regenzeit dringt Wasser ein. Ihr größter Wunsch ist es, ihre Kinder zur Schule schicken zu können: „Was ich verdiene, reicht nicht, aber es hilft. Es reicht zum Überleben, aber nicht, um die Kinder zur Schule zu schicken.“

Ruweydo Osman Haaji, 30, ist Mutter von vier Kindern und betreibt ein kleines Geschäft in Dinsor. Ihre unternehmerische Laufbahn begann sie bereits mit 15 Jahren. Doch in einer Region, die von Dürre und Konflikten geprägt ist, war es schwierig, genug Einnahmen zu erzielen. Mit der Zeit geriet sie in einen Kreislauf von Schulden, weil sie den Großteil ihres Einkommens für Rückzahlungen verwenden musste und nur wenig für die Versorgung ihrer Kinder übrig blieb. In dieser schwierigen Phase erhielt Ruweydo Unterstützung von IRC, finanziert durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und umgesetzt mit dem lokalen Partner Gargaar Relief Development Organization (GREDO). Die Kombination aus finanzieller Hilfe und betriebswirtschaftlicher Schulung veränderte ihr Leben nachhaltig.
Heute meistert Ruweydo ihren Alltag zwischen Geschäft und Kinderbetreuung. Gleichzeitig unterstützt sie andere Frauen in ihrer Gemeinschaft als Mentorin. Vor allem hofft sie, ihren Kindern, insbesondere ihren Töchtern, eine stabile Zukunft zu ermöglichen: „Ich möchte, dass sie sowohl den Koran als auch eine schulische Ausbildung erhalten. Ich habe im Leben viel gelitten und möchte, dass sie ein gutes Leben führen.“

Rahmo Nur Osman, 32, Mutter von fünf Kindern aus Bay, machte sich große Sorgen um ihr jüngstes Kind Hanad, dessen Entwicklung nicht normal verlief. Sie suchte Hilfe in der von IRC unterstützten Ka’aan-Gesundheitseinrichtung in Dinsor, wo bei ihrem Sohn Unterernährung diagnostiziert wurde, er medizinisch versorgt und mit therapeutischer Fertignahrung behandelt wurde. Bereits nach wenigen Wochen enger Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsteam von IRC hatte Hanad drei Kilogramm zugenommen – seine Gesundheit sowie seine Entwicklung verbesserten sich deutlich. Kurz nachdem er sich zu erholen begann, hatte er einen Unfall und verbrannte sich. Rahmo brachte ihn sofort zurück in die Klinik, wo er umgehend behandelt wurde. Sie nahm zudem an Schulungen teil, um zu lernen, wie sie die Gesundheit ihrer Kinder unter den schwierigen Lebensbedingungen bestmöglich fördern kann.
„Ich fühlte eine sehr große Last. Ich war sehr besorgt und wurde sogar krank. Gott sei Dank, IRC und GREDO. Sie haben viel für mich getan.“ – Rahmo Nur Osman

Azizo Ali Bare, 54, Mutter von sieben Kindern aus Dinsor, arbeitete jahrelang in schlecht bezahlten Jobs, mit denen sie ihre Familie kaum versorgen konnte. Ihr Leben änderte sich, als sie einer von IRC unterstützten Selbsthilfegruppe beitrat, in der Frauen gemeinsam lernen, sparen und kleine Unternehmen aufbauen. Heute betreibt Azizo ein Geschäft, in dem sie Süßigkeiten, Grundnahrungsmittel und Pflegeprodukte verkauft. Gleichzeitig unterstützt sie andere Frauen der Gruppe als Mentorin. Die Frauen treffen sich zweimal pro Woche, um ihr Geschäft zu führen und sich gegenseitig zu unterstützen. Obwohl ihr Unternehmen noch jung ist, träumt Azizo davon, das Geschäft zu erweitern und eines Tages als angesehene Unternehmerin nach Mogadischu zu reisen.
„Mein Leben hat sich verändert, seit ich Vorsitzende der Selbsthilfegruppe bin. Ich habe sehr davon profitiert. Früher wusste ich nicht, wie man arbeitet. Ich war Hausfrau, habe gekocht und mich um die Kinder gekümmert. Aber jetzt habe ich gelernt zu arbeiten und voranzukommen. Ich hoffe, dass wir gemeinsam noch mehr erreichen können.“ – Azizo Ali Bare
