Weltweit sind mehr als 45 Millionen Kinder unter fünf Jahren von akuter Mangelernährung betroffen. Bei Kindern kann Mangelernährung zu einer Vielzahl von gesundheitlichen Problemen führen und sogar tödlich sein. Zwischen einer und zwei Millionen Kinder sterben jährlich an den Folgen.  

Die globale Hungerkrise nimmt immer größere Ausmaße an und hat besonders für Kinder gefährliche Folgen. Doch es gibt eine Lösung: Die Behandlung mit therapeutischer Fertignahrung (Ready-to-Use Therapeutic Food, RUTF) in Form einer proteinreichen Erdnusspaste. Diese hat sich bei Fällen akuter Mangelernährung als sehr wirksam erwiesen.

Mehr als 90 Prozent der mangelernährten Kinder werden aufgrund der Behandlung mit der therapeutischen Fertignahrung wieder gesund. Doch viele Menschen haben immer noch keinen Zugang zu dieser einfachen und wirksamen Lösung. Vier von fünf Kindern mit akuter Mangelernährung erhalten nicht die Behandlung, die sie benötigen, weil die finanziellen Mittel fehlen und der Zugang zur Behandlung global unkoordiniert und übermäßig kompliziert ist.

International Rescue Committee (IRC) behandelt in über 20 Ländern Kinder mit akuter Mangelernährung. Durch die Ausweitung unseres Behandlungsprotokolls können wir weltweit mehr betroffene Kinder erreichen. 

Für die meisten komplexen globalen Probleme gibt es keine einfache Lösung – doch in diesem Fall ist es anders. Erfahre mehr über akute Mangelernährung, warum viele Kinder nicht die Behandlung erhalten, die sie benötigen, und wie wir diese Krise angehen können.

Was ist akute Mangelernährung?

Es gibt verschiedene Formen der Mangelernährung – akute Mangelernährung ist dabei die gefährlichste Form. Kinder mit akuter Mangelernährung sind zu dünn für ihre Größe und sind insgesamt anfälliger für Krankheiten. Sie haben ein 11-mal höheres Sterberisiko als gesunde Kinder.

Auch wenn ein Kind sich von akuter Mangelernährung erholt, kann sie langfristig negative Folgen haben. Dazu gehören zum Beispiel Einschränkungen der körperlichen und geistigen Entwicklung. Dies betrifft insbesondere Kinder unter fünf Jahren, die sich in einer kritischen Wachstumsphase befinden.

„Das ist gerade die traurige Realität. Die Welt darf nicht länger tatenlos zusehen“, sagt Elijah Okeyo, IRC-Landesdirektor für Uganda.

Hasfat hält ihren Sohn im Arm, während sie auf einem Bett in einer medizinischen Einrichtung in Nigeria sitzt.
Hafsat* hält ihren 10 Monate alten Sohn Muhammad im Arm. Er soll nach seiner Behandlung gegen akute Mangelernährung nun aus dem Mashamari-Krankenhaus in Borno, Nigeria, entlassen werden.
Foto: KC Nwakalor/IRC

Welche Faktoren tragen zu akuter Mangelernährung bei?

Die Anzahl der Menschen, die von Ernährungsunsicherheit betroffen sind, hat sich seit 2020 weltweit mehr als verdoppelt. Gründe dafür sind unter anderem der Klimawandel und Konflikte.

Viele Länder mit einer hohen Rate akuter Mangelernährung bei Kindern sind unverhältnismäßig stark mit den Auswirkungen des Klimawandels konfrontiert. Denn mit dem Klimawandel haben Dürren und Überschwemmungen zugenommen, welche die Nahrungsmittelversorgung der Menschen stark beeinträchtigen. Außerdem beschädigen Klimaschocks oft wichtige Infrastrukturen und schränken den Zugang zu sauberem Wasser und sanitären Einrichtungen ein. In solchen Fällen können sich Krankheiten schnell ausbreiten, die vor allem das Immunsystem von Kindern schwächen und die Aufnahme lebenswichtiger Nährstoffe beeinträchtigen. Dies verschlimmert die Auswirkungen der Mangelernährung zusätzlich. 

Konflikte beeinträchtigen die landwirtschaftliche Produktion und führen zu Vertreibung. Die Menschen haben dann keinen geregelten Zugang mehr zu Nahrung, Unterkunft oder Wasser. In Konflikten werden Lebensmittel immer wieder als Waffe eingesetzt. Blockaden oder die Zerstörung von Nahrungsmittelvorräten führen zu Hunger und Mangelernährung bei der Zivilbevölkerung. Konflikte erschweren es Organisationen wie IRC außerdem, in den betroffenen Gebieten Unterstützung zu leisten. Eltern haben Schwierigkeiten, mit ihren Kindern Kliniken sicher zu erreichen, um sie dort behandeln zu lassen.

Ein IRC-Gesundheitsarbeiter untersucht ein junges Mädchen auf Anzeichen von Unterernährung in einer Außenklinik in Kenia. Das Kind sitzt auf dem Schoß seiner Mutter, während ein Unterernährungshelfer die Untersuchung durchführt.
1998 floh Judith aufgrund des Krieges aus ihrer Heimat im heutigen Südsudan. Seitdem lebt sie in der Notunterkunft Kakuma in Kenia. Judith bringt ihre kranke Tochter Vanessa in eine IRC-Klinik, um sie auf Mangelernährung untersuchen und behandeln zu lassen.
Foto: Patrick Meinhardt/IRC

Warum erhalten betroffene Kinder keine Behandlung?

Jedes Jahr sterben zwischen einer und zwei Millionen Kinder an akuter Mangelernährung. Dies wäre leicht vermeidbar, denn die Behandlung ist einfach umzusetzen. Trotzdem haben 80 Prozent der betroffenen Kinder keinen Zugang zu dieser lebenswichtigen Therapie. Grund dafür ist der zu komplexe, übermäßig bürokratische Behandlungsansatz und der Mangel an nachhaltiger Finanzierung. 

„Der derzeitige Behandlungsansatz akuter Mangelernährung ist komplex und teuer und erreicht die meisten Kinder nicht“ - Jeanette Bailey, IRC-Direktorin für Ernährungsforschung und Innovation.

Derzeit werden Kinder mit leichter und schwerer akuter Mangelernährung im Rahmen unterschiedlicher Programme mit unterschiedlichen Produkten behandelt. Diese werden von mehreren internationalen Organisationen verteilt und verwaltet. Diese Strategie ist übermäßig komplex und behindert die Reaktion auf eine wachsende globale Hungerkrise, bei der schnelles und direktes Handeln lebenswichtig ist.

Der Mangel an ausreichender, koordinierter und nachhaltiger Finanzierung behindert die Planung zur Vorbeugung und Behandlung akuter Mangelernährung zusätzlich. Dabei ist dies ein Thema, für das sich Akteur*innen aus den verschiedensten Bereichen einsetzen. 

Ein Kind in Tschad sitzt auf dem Schoß seiner Mutter und isst einen RUTF-Riegel - eine wirksame Behandlung gegen akute Unterernährung.
Ein kleines Kind mit akuter Mangelernährung wird in einem IRC-Gesundheitszentrum in Mangalmé, Tschad, mit therapeutischer Fertignahrung behandelt.
Foto: Timothy Nesmith/IRC

Wie setzt sich IRC gegen akute Mangelernährung ein?

IRC hat ein kombiniertes Behandlungsprotokoll entwickelt. Alle Kinder, die von Mangelernährung betroffen sind, werden dabei mit therapeutischer Fertignahrung in Form einer proteinreichen Erdnusspaste behandelt. Die Dosierung wird je nach Grad der Unterversorgung angepasst. Unser vereinfachtes Behandlungsprotokoll unterstützt auch Gemeindegesundheitshelfer*innen und Eltern dabei, akute Mangelernährung zu erkennen und zu behandeln.

Wie unterstützt IRC bei der Behandlung akuter Mangelernährung?

Die weite Anreise zu Gesundheitseinrichtungen kann für viele Mütter und Betreuer*innen von Kindern ein großes Hindernis bei der Behandlung akuter Mangelernährung darstellen. Es ist daher essenziell, dass die Behandlung stattdessen in der Nähe ihres Wohnortes stattfinden kann. IRC unterstützt lokales Gesundheitspersonal dabei, die Kinder direkt in ihren Familien zu versorgen und so den Zugang zu Gesundheitsdiensten für die ganze Gemeinde zu ermöglichen. 

Gesundheitshelfer*innen und Eltern werden von IRC in der Messung des mittleren Oberarmumfangs ihrer Kinder geschult. Sie nutzen dazu ein spezielles Maßband, das MUAC-Band, mit dem der Ernährungszustand von Kleinkindern einfach ermittelt werden kann. Das MUAC-Band ist farbig und besteht aus einem grünen, gelben und roten Bereich, damit es auch Menschen mit geringen Lese- und Rechenkenntnissen anwenden können. So möchten wir sicherstellen, dass möglichst viele Kinder eine richtige Behandlung erhalten. 

„Wir möchten Mütter und Kinder erreichen, die von Mangelernährung betroffen sind, und ihnen Gesundheitsversorgung und Bildungsangebote zur Verfügung stellen“, sagt Agha, IRC-Gemeindegesundheitshelferin in Afghanistan. „Wir wollen sie für das Thema sensibilisieren und sie anleiten, sich um ihre Gesundheit zu kümmern und Mangelernährung in Zukunft vorzubeugen.“ 

Unser vereinfachtes Protokoll ist auch in Notfällen wichtig, wenn eine schnelle und wirksame Behandlung besonders essenziell ist. 

Eine IRC-Ernährungsbeauftragte zeigt einer Mutter in Nigeria, wie sie ihr Kind mit einem MUAC-Band auf Anzeichen von Unterernährung untersuchen kann. Die Ernährungsbeauftragte wickelt das Band um den Arm eines Jungen, während die Mutter zuschaut.
Fatima Wakilamtu ist Ernährungsberaterin bei IRC. Sie bringt Biliksu* bei, wie sie mit dem MUAC-Band den mittleren Oberarmumfang ihres Kindes messen kann. So kann sie die Untersuchung auf Mangelernährung zuhause in Maiduguri, Nigeria, zukünftig selbst durchführen.
Foto: KC Nwakalor/IRC

Wie effektiv ist der IRC-Ansatz?

Recherchen zeigen, dass unser Ansatz zur Behandlung von Mangelernährung zuverlässig und wirksam ist. IRC hat dazu kürzlich in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium von Mali eine Studie durchgeführt, in der mehr als 27.000 Kinder aufgrund akuter Mangelernährung mithilfe des IRC-Behandlungsprotokolls behandelt wurden. 92 Prozent der Kinder wurden wieder gesund. Laut einer weiteren Studie, die 2018 in Somalia durchgeführt wurde, erholten sich 98 Prozent der Kinder von Mangelernährung, nachdem sie mit dem IRC-Protokoll behandelt wurden.  

Unsere Methoden zur Behandlung von Mangelernährung sind effizient und wirksam. Der IRC-Ansatz verbraucht 30 Prozent weniger therapeutische Fertignahrung und kostet bis zu 20 Prozent weniger pro behandeltes Kind mit akuter Mangelernährung im Vergleich zu herkömmlicher Behandlungsmethode. Wir können also mit weniger Mitteln mehr Kinder behandeln. 

IRC entwickelt außerdem Strategien, um die lokale Produktion der therapeutischen Fertignahrung zu fördern. Auf diese Weise könnte das Produkt einfach in die Regionen geliefert werden, die es am meisten benötigen, während gleichzeitig die lokale Wirtschaft davon profitiert. 

Wie können wir mehr Kinder behandeln, die von akuter Mangelernährung betroffen sind? 

Das Hauptziel von IRC ist es, unser vereinfachtes Protokoll flächendeckend einzusetzen, um mehr Kinder zu erreichen, die von akuter Mangelernährung betroffen sind. Dies ist besonders wichtig, um Kinder in den von Hungerkrisen betroffenen Gebieten in Ost- und Westafrika sowie in Südasien zu erreichen.  

Eine jährliche Investition von 1,8 bis 2,7 Milliarden Euro – ein Bruchteil des deutschen Bundeshaushalts – könnte in den nächsten zehn Jahren entscheidend bei der Behandlung von Mangelernährung helfen, sowie weitere Investitionen anstoßen. So könnten Behandlungsziele festgelegt und die Behandlung von Mangelernährung mithilfe des IRC-Protokolls ausgeweitet werden. 

Dies ist eine Gelegenheit für Länder wie Deutschland, auf globaler Ebene eine Führungsrolle zu übernehmen, indem sie die wirksame Behandlung von Mangelernährung vorantreiben. Deutschland kann nicht nur selbst Entwicklungshilfe leisten und das vereinfachte Protokoll umsetzen, sondern auch durch Diplomatie (oder Soft Power) andere Geber dazu bewegen, dies selbst zu machen.

Ein IRC-Arzt untersucht ein kleines Kind auf Anzeichen von Unterernährung, indem er ein spezielles Band verwendet, um den Arm des Kindes zu messen.
In Jemen untersucht IRC-Mitarbeiter Dr. Abdul-Ghani Mohammed die sieben Monate alte Rawan. Ihre Mutter hatte sie in die IRC-Klinik gebracht, als sie Anzeichen von Mangelernährung bei ihrer Tochter bemerkte. Das MUAC-Band zur Messung des mittleren Oberarmumfangs zeigt, dass Rawan von leichter Mangelernährung betroffen ist.
Foto: Mujahed Alazraqe/IRC

Wie kann ich dabei helfen, akute Mangelernährung zu stoppen?

Mit dem IRC-Protokoll gibt es bereits eine bewährte Behandlung für Mangelernährung. Doch es fehlt weiterhin an Koordination und nachhaltiger Finanzierung, um die über 45 Millionen Kinder zu behandeln, die weltweit von akuter Mangelernährung betroffen sind. 

Unterstütze IRC mit einer Spende, um diese und andere Krisen auf der ganzen Welt zu bewältigen.  

*Namen aus Datenschutzgründen geändert