Berlin, 22. Oktober 2025 — International Rescue Committee (IRC) hat im Vorfeld der Berlin Climate Security Conference einen neuen Bericht veröffentlicht: „Navigating the Climate Crisis in a New Era of Aid“. IRC fordert entschlossenes globales Handeln, um Menschen zu schützen, die an der Schnittstelle von Klimakrise und bewaffneten Konflikten leben.
Die Analyse zeigt: In 17 Ländern, die besonders konfliktbetroffen und klimaanfällig sind – und in denen lediglich 11 Prozent der Weltbevölkerung leben – konzentrieren sich 70 Prozent des weltweiten humanitären Bedarfs und 70 Prozent der Menschen mit akuter Ernährungsunsicherheit. Dennoch erhielten diese Staaten 2022 nur 12 Prozent der internationalen Anpassungsfinanzierung für einkommensschwache Länder.
Die Folgen dieser Ungleichheit sind gravierend. Zwischen 2013 und 2023 sanken die internationalen Entwicklungsgelder (ODA) für diese 17 Länder um über 40 Prozent – während Klimaextreme zugenommen haben und Konflikte anhielten. Länder wie Afghanistan und Jemen drohen infolge weiterer Kürzungen Verluste von mehr als 10 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens. Gleichzeitig fließt Klimafinanzierung zunehmend in stabile, risikoarme Länder. Auch private Geber sind keine Alternative, denn nur zwei Prozent der weltweiten Anpassungsfinanzierung stammen aus privaten Quellen – und nahezu nichts davon erreicht Konfliktregionen.
Dabei gilt: Jeder investierte Euro in frühzeitige Risikoreduzierung spart bis zu 13 Euro bei der Krisenbewältigung. Dennoch machen vorausschauende Maßnahmen1 derzeit weniger als 1 Prozent der globalen humanitären Finanzierung aus – und ihr Anteil sinkt weiter, obwohl die Risiken steigen.
Corina Pfitzner, Geschäftsführerin IRC Deutschland, kommentiert: „Wir stehen an einem Wendepunkt: Staaten, die gleichzeitig von bewaffneten Konflikten und Klimarisiken betroffen sind, werden systematisch von der internationalen Klimafinanzierung ausgeschlossen. Diese Länder stehen am Brennpunkt globaler Krisen und unter dem Brennglas des Klimawandels – und erhalten dennoch nur einen Bruchteil der dringend notwendigen Mittel für Anpassung und Resilienz.
Die international bereitgestellte Klimafinanzierung erreicht zum Großteil stabile, risikoarme Länder – doch dieser Ansatz verkennt die Realität und lässt die vulnerabelsten Menschen zurück. Deutschland trägt als einer der größten Geber besondere Verantwortung und hat bis 2024 die Zusage von sechs Milliarden Euro für die Klimafinanzierung eingehalten. Doch der stark gekürzte Bundeshaushalt 2025 droht eine drastische Abkehr an - statt nach dem Rückzug der USA gezielt gegenzusteuern, um die Finanzierungslücke zu überbrücken, drohen im Haushaltsentwurf 2026 weitere Kürzungen mit absehbaren Folgen für die am stärksten betroffenen Menschen.
Wir brauchen neue Zielmarken. Klimagerechtigkeit beginnt dort, wo Klima und Konflikt sich überschneiden, und misst sich daran, ob ausreichend Gelder diese Gemeinschaften erreichen. Wir müssen gezielt in erprobte Ansätze wie Frühwarnsysteme investieren, vorab in vereinbarte Finanzierung und lokal geführte Anpassungsmaßnahmen. Unser Klima ist eines der zentralen globalen öffentlichen Güter. Wenn wir fragile und Konfliktkontexte weiterhin aus der internationalen Klimafinanzierung ausklammern, gefährden wir nicht nur die Gegenwart der Menschen vor Ort, sondern unsere gemeinsame Zukunft.“
IRC ruft die Bundesregierung, Geberstaaten und multilaterale Institutionen zur Klimafinanzierung auf, folgende Schritte einzuleiten:
- Ein neues, gerechtes Ziel für Anpassungsfinanzierung bei COP30 festlegen: Die vulnerabelsten Länder müssen Priorität erhalten; mindestens 19 Prozent der Mittel sollten an klima- und konfliktbetroffene Staaten fließen.
- Von Krediten zu flexiblen Zuschüssen übergehen: Besonders in fragilen Kontexten mit hoher Schuldenlast und Umsetzungsrisiken sind flexible, nicht rückzahlbare Finanzierungen entscheidend. Kredite dominieren auch die deutsche Klimafinanzierung, die durch mehr Förderung ergänzt werden sollten.
- Vorausschauendes Handeln stärken: Frühzeitige Finanzierungsmechanismen ausbauen – etwa durch Übernahme des IRC-Modells „Follow the Forecasts“ – und das 5-Prozent-Ziel zur Bereitstellung von vorausschauender humanitärer Hilfe weiterhin einhalten.
- In Frühwarnsysteme und evidenzbasierte Resilienzprogramme investieren: Maßnahmen müssen adaptiv, kosteneffizient und lokal verankert sein – insbesondere in Konfliktgebieten.
- Lokal geführte, inklusive Anpassungsmaßnahmen fördern: Mehr Mittel sollten an zivilgesellschaftliche und von Frauen geleitete Organisationen gehen, die besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen erreichen. Derzeit erhalten NGOs in klima- und konfliktbetroffenen Ländern nur 14 Prozent der Anpassungsfinanzierung.
1 Im Gegensatz zu reaktiven Ansätzen setzt IRC auf vorausschauendes Handeln – den Einsatz von Klimavorhersagen und Frühwarnsystemen, um Unterstützung bereitzustellen, bevor Krisen eintreten. Das IRC-Modell „Follow the Forecasts“, das bereits in Somalia und Afghanistan mit Unterstützung des Auswärtigen Amts umgesetzt wird, zeigt: Geplante, datengestützte Maßnahmen retten Leben und Lebensgrundlagen. In dürregefährdeten Regionen Afghanistans konnte IRC beispielsweise 2.800 Haushalten frühzeitig Bargeldhilfe bereitstellen – bevor Ernteausfälle und Hunger zunahmen.