Im Sudan sind rund 18 Millionen Menschen – 37 Prozent der Bevölkerung – von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen. Diese Notlage ist auf den anhaltenden Konflikt, unterbrochene Versorgungsketten, wirtschaftlichen Niedergang und Beschränkungen der humanitären Hilfe zurückzuführen. Eine Hungerkrise unvorstellbaren Ausmaßes ist in Teilen des Landes bereits Realität: Millionen von Menschen haben tagelang nichts zu essen.

Laut der kürzlich veröffentlichten IPC-Skala (Integrated Food Security Phase Classification) sind 18 Millionen Menschen einem hohen Maß an akuter Ernährungsunsicherheit ausgesetzt. Das entspricht zehn Millionen Menschen mehr als vor Kriegsbeginn im April 2023. Fünf Millionen Menschen sind von einer Hungerkatastrophe bedroht und mehr als 730.000 sudanesische Kinder leiden an schwerer Unterernährung. In dieser Woche warnte das Famine Early Warning Systems Network, ein Frühwarnsystem für Hungersnöte, vor der Gefahr einer Hungersnot in West-Darfur, Khartum und Gebieten in Groß-Darfur. In IRC-Kliniken ist die Zahl täglicher Untersuchungen von unterernährten Kindern unter fünf Jahren seit Beginn des Konflikts um 175 Prozent gestiegen. Die Zunahme der Unterernährungsfälle ist teilweise auf den konfliktbedingten Mangel an angemessener Ernährung zurückzuführen.

Shashwat Saraf, IRC-Nothilfedirektor für Ostafrika, kommentiert:

,,Die Ernährungslage in Sudan ist katastrophal. Während sich das Land auf die magere Jahreszeit vorbereitet, steht das Schlimmste noch bevor. Der Konflikt hat die Anbaumöglichkeiten von Nahrungsmitteln stark eingeschränkt, die Märkte unterbrochen, die Einkommen beeinträchtigt, zu massiven Vertreibungen geführt und den Zugang zu Hilfsgütern eingeschränkt. Millionen von Menschen haben keinen Zugang zu ausreichenden Nahrungsmitteln mehr. 

Um eine weitere Katastrophe zu verhindern, muss heute gehandelt werden: Wir können nicht warten, bis die Menschen verhungert sind, bevor wir unsere Maßnahmen verstärken. 

Eine sofortige Einstellung der Kriegshandlungen, ungehinderter Zugang für humanitäre Hilfe und eine Aufstockung der Mittel sind dringend erforderlich, um die Gesundheitsversorgung und die Versorgung mit sauberem Wasser zu gewährleisten. Dadurch können wir die Gefahr verringern, dass sich vermeidbare Krankheiten wie Durchfall, Malaria und Masern ausbreiten. Sudanesische Familien müssen dabei unterstützt werden, Nahrungsmittel anzubauen, Zugang zu Nahrungsmitteln zu erhalten und sich diese leisten zu können. Ein Aufschub der Maßnahmen bis zur offiziellen Ausrufung der Hungersnot ist moralisch inakzeptabel und führt nur zu weiterem Leid und dem Verlust von Menschenleben.

Die meisten Expert*innen sind sich einig, dass die Realität vor Ort wahrscheinlich viel schlimmer ist, als es die Daten aussagen. Die bedürftigsten Bevölkerungsgruppen (u. a. in Darfur, Khartum und Kordofans) sind am schwersten zu versorgen. Dies erschwert nicht nur die Erhebung genauer Daten, sondern auch die Bereitstellung von humanitärer Hilfe.  

Expert*innen warnen, dass in den kommenden Wochen und Monaten etwa 222.000 Kinder an Unterernährung sterben könnten. Das Leben dieser Kinder kann mit einer einfachen Lösung gerettet werden. Mit einer angereicherten Erdnusspaste zur Behandlung können sich mehr als 90 Prozent der betroffenen Kinder innerhalb weniger Wochen erholen. Doch ohne die in Resolution 2724 vom UN-Sicherheitsrat geforderte sofortige Einstellung der Kampfhandlungen und den ungehinderten Zugang zu Hilfsgütern werden noch mehr Kinder verhungern.”

Die humanitäre Krise in Sudan ist völlig unterfinanziert. Die von den Gebern zugesagten Mittel stehen in keinem Verhältnis zum Ausmaß des Bedarfs. Nur fünf Prozent des humanitären Hilfsplans für Sudan sind derzeit finanziert. Aktuell besteht eine Finanzierungslücke von 2,37 Mrd. Euro. 

IRC fordert die internationalen politischen Entscheidungsträger*innen und die Konfliktparteien auf, unverzüglich Maßnahmen zur Bewältigung der Hungerkrise zu ergreifen. Die Waffen müssen niedergelegt werden, der Zugang für humanitäre Hilfe muss verbessert und die Mittel müssen dringend aufgestockt werden. Jeder Tag der Verzögerung führt zu weiterem Leid und dem Verlust von Menschenleben.

IRC in Sudan

IRC konzentriert sich in Sudan auf bedarfsorientierte Nothilfe für Binnenvertriebene: durch sektorübergreifende wirtschaftliche Wiederherstellung und Entwicklung, Gesundheit und Ernährung sowie Wasser-, Sanitär- und Hygienedienste (WASH). IRC bietet auch integrierte Schutz- und Empowerment-Dienste, einschließlich umfassender Angebote für Frauen, Mädchen und Kinder, sowie für Überlebende geschlechtsspezifischer Gewalt in den Bundesstaaten Blue Nile und Gedaref. Darüber hinaus hat IRC ein Hilfsprojekt im Bundesstaat Al-Jazirah und ein Logistik- und Koordinierungsbüro in Port Sudan eingerichtet. Zurzeit ist IRC im Prozess, Nothilfemaßnahmen wie Mehrzweck-Bargeldhilfe und WASH-Dienste für Binnenvertriebene, Geflüchtete und Aufnahmegemeinschaften im Bundesstaat White Nile einzuleiten.