Vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Debatte über die mögliche Rückkehr von aus Syrien geflüchteten Menschen warnt International Rescue Committee (IRC) Deutschland eindringlich davor, die Realität vor Ort zu verkennen. Nach wie vor sind die Bedingungen für eine sichere und menschenwürdige Rückkehr in Syrien nicht gegeben. 

Seit über 14 Jahren leben Millionen Menschen mit den schweren Folgen des anhaltenden Konflikts – Syrien bleibt eine der größten Vertreibungskrisen der Welt. Große Teile der Infrastruktur sind zerstört, rund sieben Millionen Menschen wurden innerhalb des Landes vertrieben, und über 90 Prozent der Bevölkerung lebt in Armut. Unter diesen Umständen ist eine Rückkehr in Sicherheit und Würde für viele derzeit unmöglich. Gleichzeitig haben ein Großteil der syrischen Geflüchteten hier in Deutschland ein neues Zuhause gefunden und sind längst fester und unverrückbarer Bestandteil der deutschen Gesellschaft. 

Die Bundesregierung steht nun in der Verantwortung, das Recht auf Asyl zu wahren und den Grundsatz der sicheren und freiwilligen Rückkehr zu respektieren. Jede Rückkehr muss freiwillig, würdevoll und auf einer fundierten Informationsbasis erfolgen – im Einklang mit internationalen Schutzstandards. Es wäre ein Bruch mit dem Non-Refoulement-Prinzip, der Europäischen Menschenrechtskonvention und den Vorgaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR eine Rückkehr zu forcieren, wenn Gefahr für Leib, Leben oder Würde besteht – Rückkehrentscheidung sind keine Frage des politischen Kalküls.

Lena Görgen, Leitung Advocacy bei IRC Deutschland, betont: „Es sind keine politischen, sondern rechtliche Entscheidungen, ob aus Konflikt- und Kriegsgebieten nach Deutschland geflüchtete Menschen sicher und in Würde in ihre Herkunftsländer zurückkehren können.  Jede Diskussion über Rückführungen muss auf Fakten zur Lage vor Ort basieren, und die Fakten zur Lage in Syrien zeigen klar: Eine Rückkehr wäre für viele Menschen gefährlich und nicht menschenwürdig. Die Bundesregierung trägt die fortgesetzte Verantwortung, dass über den individuellen Schutzstatus der Menschen, die hier Schutz gefunden haben, im Einklang mit geltendem Recht entschieden wird. 

Gerade jetzt, wo migrationspolitische Entscheidungen vermehrt nicht auf Basis von Fakten und Recht, sondern auf dem Rücken der betroffenen Menschen getroffen werden, appellieren wir an die Wahrung von geltenden Standards und dem Respekt für die Bereicherung, die aus Syrien nach Deutschland geflüchtete Menschen über die vielen letzten Jahre sind. Denn die knapp eine Millionen Menschen mit syrischen Wurzeln sind unsere Mitbürger*innen, die hier leben, arbeiten und sich engagieren, und dabei  unsere Gesellschaft stärken.”

Juan Gabriel Wells, IRC-Landesdirektor für Syrien, ergänzt: ,,Der Machtwechsel in Syrien hat bei vielen Geflüchteten die neue Hoffnung geweckt, endlich in ihre Heimat zurückkehren zu können. Doch fast ein Jahr später zeigt sich, dass Hoffnung allein nicht ausreicht. Für viele bedeutet Rückkehr unter den aktuellen Bedingungen Unsicherheit, Armut und ein Leben ohne Perspektive. Zahlreiche Familien finden weder Arbeit noch ausreichende Versorgung und stehen vor zerstörten Häusern, überlasteten Schulen und Krankenhäusern, die nur eingeschränkt funktionieren.

Die zentrale Infrastruktur Syriens liegt weitgehend in Trümmern. Der Großteil der Stromnetze ist beschädigt oder zerstört, fast die Hälfte der Krankenhäuser arbeitet nur eingeschränkt, rund zwei Drittel der Wassersysteme sind beeinträchtigt und ein Drittel der Schulen ist weiterhin nicht nutzbar. Sichere und würdige Lebensbedingungen für Rückkehrende sind dadurch kaum möglich. 

Gleichzeitig bricht die internationale Unterstützung für Syrien zusammen: Wir haben bereits November, und erst 15 Prozent des Humanitären Hilfsplans 2025 sind finanziert. Humanitäre Dienste sind überlastet – und 16,5 Millionen Syrer*innen erhalten keine ausreichende Versorgung.

Eine nachhaltige Lösung erfordert langfristige internationale Unterstützung – finanziell, politisch und humanitär. Die internationale Gemeinschaft darf nicht wegsehen – das Überleben von Syrer*innen und die Stabilität der aufnehmenden Gemeinschaften hängen von fortgesetzter Unterstützung ab.”