
Seit dem 17. Oktober gibt es ein Bundesaufnahmeprogramm (BAP) für Afghan*innen. Doch was bedeutet das eigentlich?
Hier das Wichtigste im Überblick, genauere Informationen finden sich auf der Seite vom Bundesministerium des Innern und für Heimat. Unterstützen wird außerdem eine Koordinierungsstelle der Zivilgesellschaft, deren Website sich derzeit im Aufbau befindet.
Warum gibt es das Bundesaufnahmeprogramm?
Seit der Machtübernahme der Taliban hat Deutschland rund 37.000 Aufnahmezusagen für Ortskräfte und weitere besonders gefährdete Afghan*innen erteilt. Davon sind bislang ca. 26.000 eingereist. Da die deutsche Bundesregierung nach rund 20 Jahren Bundeswehreinsatz eine besondere Verantwortung für die Menschen vor Ort trägt, wurde bereits im Koalitionsvertrag ein Bundesaufnahmeprogramm angekündigt. Nun geht das Programm an den Start.

An wen richtet sich das Programm?
Über das BAP aufgenommen werden, können Afghan*innen inkl. Kernfamilie, die sich aktuell in Afghanistan aufhalten und individuell gefährdet sind oder verfolgt werden aufgrund
- ihres Einsatzes für die Menschen-/Frauenrechte
- ihrer Tätigkeit als Journalist*in oder bspw. in Politik, Justiz oder Wissenschaft
- ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität
- ihrer Religion
In Afghanistan leben Menschen häufig mit Familienmitgliedern zusammen, die nach einem deutschen Verständnis nicht der Kernfamilie angehören, aber für sie genauso wichtig sind. Wichtig: Das Programm richtet sich nicht an (ehemalige) Ortskräfte. Das Ortskräfteverfahren läuft unabhängig davon weiter.
Wie kann das Programm in Anspruch genommen werden?
Menschen können sich nicht individuell auf eine Aufnahme bewerben. Nur bestimmte NGOs – sogenannte meldeberechtigte Stellen – können Fälle über einen detaillierten online Fragebogen eintragen, bei dem es kaum die Möglichkeit zum freien Text gibt. Die Fälle werden dann maschinell mithilfe eines Algorithmus gesichtet.
Jeden Monat sollen 1000 Aufnahmezusagen erteilt werden – aktuell bis September 2025, dem Ende der Legislaturperiode.
Ausgewählt werden die Fälle nach folgenden Kriterien:
- Vulnerabilität (bspw. Alleinstehende Frauen mit Kindern, LGBTQI+)
- Deutschlandbezug (bspw. Sprachkenntnisse, Familie in Deutschland)
- besondere Sichtbarkeit, herausgehobene Position
- politisches Interesse Deutschlands an einer Aufnahme
Zunächst sollen nur Fälle berücksichtigt werden, die den meldeberechtigten NGOs bereits vorliegen.

Kritik
- Bereits in Drittstaaten geflohene Menschen sind vom Programm ausgeschlossen.
- Da Menschen sich nicht direkt bewerben können, liegt die Last bei NGOs. Gleichzeitig werden sie so zu Gatekeepern gemacht.
- Fälle können nicht in ihrer Komplexität über ein online-Formular dargestellt werden.
Was offen bleibt
- Die Ausreise aus Afghanistan ist sehr schwierig. Personen sollen bei der Ausreise unterstützt werden, doch wie genau, bleibt unklar.
- Mehrere Bundesländer – Berlin, Bremen, Thüringen, Schleswig-Holstein und Hessen – wollen zusätzlich Landesaufnahmeprogramme einrichten. Dafür benötigen sie die Zustimmung des BMI. Die ist bislang nicht erfolgt.