„Ich verlor meinen Mann im Jahr 2020. Es war schwer, meine Familie allein zu versorgen. Dann habe ich einen Nähkurs gemacht, eine Nähmaschine bekommen und gelernt, wie ich ein kleines Geschäft aufbauen kann. Heute nähe ich Kleidung, verkaufe Seife, Tee und Chapati. Ich bezahle die Schulgebühren für meine Kinder und unterstütze meine Familie mit dem, was ich verdiene”, erzählt Mary, Teilnehmerin des Programms Women for Change. So wie Mary engagieren sich viele Frauen in Südsudan für den Wiederaufbau ihrer Gemeinden. Sie gründen kleine Unternehmen, organisieren Spargruppen und schaffen neue Perspektiven. Gleichzeitig steht das Land vor enormen Herausforderungen. 

Seit April 2023 haben über 675.000 Vertriebene aus Sudan im Nachbarland Südsudan Zuflucht gesucht. Während die weltweite Aufmerksamkeit oft der Krise in Sudan gilt, gerät eine andere Krise aus dem Blick: Südsudan steckt in einer stillen Notlage – mit Hyperinflation, fragilen Frieden, Vertreibung und zunehmenden Klimaschocks. Laut der IRC Emergency Watchlist gehört Südsudan 2025 zu den Ländern weltweit, in denen sich die humanitäre Lage am stärksten verschlechtern könnte. 

Gerade inmitten dieser Herausforderungen zeigen Frauen vor Ort, wie Veränderung möglich wird: Mit Unterstützung von IRC und Women for Change (WFC) schaffen sie Einkommen, stärken ihre Familien und bringen die lokale Wirtschaft in Schwung. Lies weiter und erfahre, wie Frauen durch lokale Initiativen den Alltag vieler Menschen nachhaltig verbessern.

Die aktuelle Lage in Südsudan

Wo staatliche Hilfe fehlt, nehmen Menschen den Wandel selbst in die Hand. So auch in Südsudan, wo die wirtschaftliche Lage weiterhin angespannt ist: Das südsudanesische Pfund verliert an Wert, die Inflation steigt und viele Familien können sich grundlegende Güter kaum noch leisten. Gleichzeitig geht die internationale Unterstützung zurück. Über 7,6 Millionen Menschen sind von unsicherer Lebensmittelversorgung betroffen.

In den Regionen Jonglei, Unity und Upper Nile zerstören Überschwemmungen und Dürren immer wieder Felder, Häuser und ganze Lebensgrundlagen. Die Versorgung mit Wasser, Nahrung und medizinischer Hilfe ist häufig unterbrochen. Kinder leiden besonders unter diesen Bedingungen: Viele Schulen sind geschlossen, der Zugang zu Nahrung und medizinischer Versorgung bleibt eingeschränkt.

Zudem stockt die Umsetzung des Friedensabkommens. Die politische Lage in Südsudan bleibt angespannt. Inmitten dieser Belastungen werden Frauen aktiv: Sie organisieren Hilfe, sichern den Alltag ihrer Familien und entwickeln neue Wege, um den Herausforderungen vor Ort zu begegnen.

Wirtschaftliche Stärkung für Frauen in Juba

Im Bezirk Juba führen Women for Change (WFC) gemeinsam mit Dan Church Aid (DCA) ein Projekt zur Stärkung und Selbstorganisation in Gemeinden durch. Dabei erhalten Frauen praxisnahe Schulungen – etwa in Schneiderei, Hühnerhaltung, Gartenbau und Seifenherstellung.

Über 200 Teilnehmerinnen, darunter auch Frauen mit körperlichen und geistigen Behinderungen, haben bereits Starter-Kits und individuelle Beratung zur Unternehmensgründung erhalten. So können sie ihre neuen Fähigkeiten direkt umsetzen und ihr eigenes Einkommen erwirtschaften. Das stärkt nicht nur ihre Familien, sondern auch die lokale Wirtschaft.

Rihab, eine sudanesische Geflüchtete in Südsudan, erhielt durch das IRC-Projekt eine Nähmaschine und Schneidertraining, um sich selbst zu versorgen.
Rihab lernte bei Women for Change, unterstützt von Dan Church Aid , das Nähen. Heute nutzt sie ihr Können, um Kleidung herzustellen und zu verkaufen – und sorgt damit selbst für ihr Einkommen.
Foto: Morrison Owiro/IRC

„Ich zeige Frauen, wie sie finanziell unabhängig werden. So können sie ihre Familien unterstützen und sich Schritt für Schritt etwas aufbauen“, sagt Rose Mary, stellvertretende Projektleiterin für wirtschaftlichen Wiederaufbau und Entwicklung. Sie begleitet auch Spar- und Kreditgruppen, in denen Frauen gemeinsam Geld zurücklegen, Kredite aufnehmen und in gemeinsame Vorhaben investieren.

Frauen bei einem Gruppentreffen in farbenfrohem Raum.
Eine Teilnehmerin einer Spar- und Kreditgruppe zeigt ihre Ersparnisse und erzählt, wie das Programm ihr geholfen hat, ein eigenes kleines Geschäft zu starten. Durch Schulungen zu Sparen, Kleinkrediten und Finanzwissen unterstützt IRC geflüchtete Gemeinschaften dabei, neue wirtschaftliche Perspektiven zu schaffen.
Foto: Fahmo Mohammed/IRC

Mit Mut und Wissen gegen Unsicherheit und Gewalt

Frauen in Südsudan übernehmen einen Großteil der Care-Arbeit – also unbezahlte Fürsorge innerhalb der Familie – und tragen gleichzeitig wirtschaftliche Verantwortung. In Krisenzeiten sind sie dadurch besonders stark belastet. „Sicherheit ist ein großes Thema. Frauen, die weite Strecken zu Trainings zurücklegen, sind dabei lebensgefährlichen Risiken ausgesetzt“, sagt Dorothy, Schutzbeauftragte bei Women for Change (WFC).

Boot mit Personen auf ruhigem Gewässer vor Bäumen und Schilf.
In Kanyhial, Südsudan, fahren IRC-Teams stundenlang mit dem Boot, um abgelegene Gemeinden zu erreichen, die von Überschwemmungen betroffen sind. Vor Ort betreibt IRC ein Gesundheitszentrum und ein Frauenprojekt und leistet wichtige Hilfe in einer der isoliertesten und hochwassergefährdetsten Regionen der Welt.
Foto: Raissa Karama/IRC

Trotzdem bilden sich viele weiter, vernetzen sich lokal und bringen Veränderungen in ihren Gemeinden voran. Das Programm Women for Change kombiniert berufliche Qualifizierung mit Bildungsangeboten zu Frauenrechten und dem Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt .

„Mit diesem Projekt vermitteln wir Frauen das Wissen und die Werkzeuge, die sie brauchen, um wirtschaftlich unabhängiger zu werden und ihre Rechte zu kennen“, erklärt Dorothy.

 Täglich Hindernisse überwinden

Die meisten Teilnehmerinnen von WFC setzen ihr neues Wissen direkt in die Praxis um – trotz unsicherer Wege, fehlender Infrastruktur und der Doppelbelastung durch Care-Arbeit und Einkommensverantwortung.

„Manchmal gehen wir morgens zur Schulung oder Arbeit – und wenn wir zurückkommen, wurde bei uns eingebrochen. Frauen fühlen sich nicht sicher. Wir brauchen Schutz, um ohne Angst leben und arbeiten zu können“, sagt Mary.

Mary konnte sich durch die vielfältigen Fähigkeiten, die sie im Training erworben hat, mehrere Einkommensquellen aufbauen. Durch konsequentes Sparen investierte sie in ihr Geschäft. Heute versorgt sie nicht nur ihre Kinder, sondern unterstützt auch Angehörige in Uganda. So wie Mary nutzen immer mehr südsudanesische Frauen Weiterbildungen und Gemeinschaftshilfe, um ihre eigene Existenz aufzubauen.

„Frauen sind engagiert und selbstständig. Wir schaffen Arbeitsplätze und verändern ihre Gemeinden“, sagt Rose Mary.

Von Unternehmerinnen zu aktiven Stimmen in der Gemeinschaft

Die gemeinsamen Programme von IRC und Women for Change (WFC) gehen über kurzfristige Unterstützung hinaus. Seit 2023 haben über 1000 Frauen an Workshops zur Bürgerbeteiligung und lokaler Führung teilgenommen. Diese Angebote ermutigen sie, bei Entscheidungen mitzuwirken und Veränderungen mitzugestalten. 

„Frauen sollten nicht dauerhaft auf Hilfe angewiesen sein – es braucht langfristige und nachhaltige Projekte“, betont Rose Mary.

Mit Spargruppen, Startkapital und gemeinschaftlich geführten Initiativen fördern die Programme Eigenverantwortung und stärken die lokale Entwicklung.

Im jüngsten Land der Welt, das noch immer mit den Nachwirkungen von Unabhängigkeit und Bürgerkrieg ringt, gehen Frauen mutig voran und schaffen Perspektiven.

„Frauen brauchen Zugang zu Bildung, Mitbestimmung und sinnvolle Aufgaben, mit denen sie ihre Familien und ihre Gemeinden stärken können. Wir sehen, wie Frauen Führungsrollen übernehmen und zum ersten Mal ihre Stimme erheben. Das macht mich unglaublich stolz“, sagt Dorothy, Schutzbeauftragte bei WFC.

Diese Art von Führung entsteht aus dem Alltag – sie ist bewusst, wirksam und tief in der Gemeinschaft verankert. Frauen verändern nicht nur ihr eigenes Leben, sondern prägen die Zukunft des Südsudan.

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