Nach dem Tod von George Floyd und weltweiten Protesten gegen anhaltende Polizeigewalt, erkennen wir klar an: Es gibt Strukturellen Rassismus. In den USA. In Deutschland. In der ganzen Welt. Wie können wir uns wirksamer für eine gerechte und diskriminierungsfreie Gesellschaft einsetzen? Auch wir bei International Rescue Committee denken darüber nach, was wir ändern müssen, führen Gespräche, hören zu: Die Stimmen von Minderheiten sind uns sehr wichtig. Von ihnen lernen wir. Eines unserer Vorbilder dabei ist Bayard Rustin.

„Unser Engagement für zivile, politische und wirtschaftliche Gleichberechtigung in den USA hat uns etwas Wichtiges gelehrt: Der Kampf gegen menschliches Leid ist unteilbar. Wenn unsere Regierung kein Mitgefühl für Menschen hat, die alles verloren haben, wird sie kaum Mitgefühl für schwarze oder arme Amerikaner*innen haben.“  

Das war 1979: In seiner Rolle als stellvertretender Vorsitzender von International Rescue Committee setzte sich der afroamerikanische Bürgerrechtsaktivist Bayard Rustin für die Umsiedlung vietnamesischer Geflüchteter in die USA ein. Er mobilisierte Gewerkschaften und vertrat sein Anliegen vor den höchsten politischen Gremien. Sein Appell für Solidarität ist heute so relevant wie damals.  

Bayard Rustin widmete sich seit den 1940er Jahren dem Kampf gegen soziale Ungerechtigkeit und Diskriminierung. Er war ein enger Berater von Martin Luther King Jr. in Fragen des gewaltfreien Widerstands. Beim „Marsch auf Washington für Arbeit und Freiheit“ im Jahr 1963 war er einer der Hauptorganisatoren. Meist wirkte er dabei hinter den Kulissen. Denn nicht nur aufgrund seiner Hautfarbe wurde er stark diskriminiert, sondern auch wegen seiner Homosexualität.  

2013 verlieh ihm Präsident Obama postum die Presidential Medal of Freedom – eine der höchsten Auszeichnungen für Zivilisten in den USA. Erst im Februar 2020, 67 Jahre nachdem Bayard Rustin verhaftet und gezwungen worden war, sich wegen Sex mit einem Mann als Sexualstraftäter zu registrieren, hob der Gouverneur von Kalifornien diesen Strafbestand auf.  

Heute führt International Rescue Committee Bayard Rustins Engagement für Gleichberechtigung auf der ganzen Welt fort. Wir stellen uns der Diskriminierung von Menschen beispielsweise aufgrund ihrer Herkunft, Hautfarbe, Religion, sexueller Orientierung oder ihres Geschlechts entschieden entgegen.

Rustins Einsatz motiviert uns immer noch. Im März 1978 stellte er die prekären Zustände in thailändischen Notunterkünften, in denen Geflüchtete aus Vietnam, Laos und Kambodscha lebten, in einem Brief an US-Präsident Jimmy Carter dar. „Einige Stimmen behaupten, dass schwarze Amerikaner*innen die Aufnahme dieser Flüchtlinge aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit in unserem Land nicht tolerieren werden,“ schrieb Rustin. Doch dies war falsch: Der Bürgerrechtsaktivist und IRC-Vize sicherte Carter die Unterstützung von über 80 Vorsitzenden schwarzer Bürgerrechts-, Arbeiter-, Unternehmer- und Gemeindegruppen zu. Diese unterzeichneten und bezahlten eine IRC-Anzeige in der New York Times, in der sie die US-Regierung aufforderten, Geflüchteten aus Südostasien zu helfen. 

Bayard Rustins Wirken trug maßgeblich zum Beschluss des Refugee Acts von 1980 bei, durch den sich der US-amerikanische Kongress zu einer systematischen Aufnahme von Menschen verpflichtete, die durch gewaltsame Konflikte, politische Verfolgung oder andere Krisen wie zum Beispiel Naturkatastrophen aus ihrer Heimat fliehen mussten.   

Bayard Rustin reiste zu Krisenherden weltweit, um sich direkt über die Lage der Menschen vor Ort zu informieren. Er schaffte Aufmerksamkeit für Ugander*innen, die vor Idi Amins Gewaltherrschaft flohen, besuchte Lager in Somalia und Sudan, in denen über eine Million geflüchtete Äthioper*innen und Eritreer*innen lebten. Er sah die Auswirkungen der zivilen Unruhen in Guatemala und El Salvador – zwei Ländern, in denen die Gewalt zwischen rechtsextremen und linken Guerillas zu großen Fluchtbewegungen innerhalb der jeweiligen Bevölkerung führte.  

Aktivist Bayard Rustin redet mit Kindern
Bayard Rustin reiste zu Krisenherden weltweit, um sich direkt über die Lage der Menschen vor Ort zu informieren.
Foto: Courtesy of Walter Naegle

 Bayard Rustin wollte vor dem Besuch eines Flüchtlingslagers keine Lageberichte lesen, sondern ganz unvoreingenommen mit den Menschen sprechen. Er lernte die Namen der Familienmitglieder und hörte ihren Geschichten zu. Geflüchtete in Lesotho und Botswana erzählten ihm von den Auswirkungen des südafrikanischen Apartheidregimes. Geflüchtete aus Afghanistan erklärten, warum sie in Pakistan Schutz suchten.  

Von Bayard Rustin lernen wir unvoreingenommene Menschlichkeit. Er zeigte uns, dass wir uns für diese immer einsetzen müssen – jeden Tag, über Generationen hinweg: zu Hause, bei unserer Arbeit, in unserem sozialen Umfeld, weltweit. Daran müssen auch wir uns messen lassen.