Sechs Jahre ist es nun her, dass die Rohingya, eine ethnische Minderheit in Myanmar, im August 2017 ihr Zuhause verlassen mussten. Viele von ihnen flohen nach Bangladesch in die Stadt Cox’s Bazar. Heute leben dort über eine Million Menschen in dem größten Geflüchtenlager der Welt. Die Mehrheit von ihnen ist auf humanitäre Hilfe angewiesen. Gerade für Jugendliche und junge Erwachsene ist diese Unterstützung oft wegweisend und hat großen Einfluss auf die Entscheidungen, die sie für ihre Zukunft treffen.

Erfahre in diesem Artikel, wie IRC gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt sie unterstützt, und lerne den inspirierenden Mujibur kennen.

Leben und Herausforderungen in Cox's Bazar

Die Einwohner*innen von Cox’s Bazar leben auf engstem Raum zusammen. Viele von ihnen sind extremen Witterungsbedingungen ausgesetzt und leben in überfüllten Unterkünften aus Bambus und Planen, die den heftigen Regenfällen von Mai bis September nicht standhalten können. Auch diesen August sind wieder starke Überschwemmungen, die die Sicherheit und Gesundheit der Bewohner*innen von Cox’s Bazar gefährdet. Denn bei jedem heftigen Monsun verbreiten sich Krankheiten wie Diphtherie. Auch der Zugang zur Gesundheitsversorgung ist sowohl für die Aufnahmegesellschaft als auch für die Rohingya-Bevölkerung ein großes Problem. Das Verhältnis von Ärzt*innen zu Patient*innen ist mit 5,26 pro 10.000 Menschen das zweitniedrigste in Südasien. Anfang März 2023 kam es in Cox’s Bazar zu einem Brand. Mehr als 12.000 Menschen verloren ihre Unterkünfte.

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Auch wenn die Einwohner*innen von Cox's Bazar nach wie vor auf umfassende humanitäre Hilfe angewiesen sind, wird nur noch ein geringer Teil der notwendigen Mittel von der internationalen Staatengemeinschaft bewilligt.

Unterkünfte im Ukhiya-Camp in Cox’s Bazar, Bangladesch
Unterkünfte im Ukhiya-Camp in Cox’s Bazar, Bangladesch.
Foto: Habiba Nowrose/IRC

Mujiburs Geschichte

Unter diesen Umständen aufzuwachsen, lässt viele Jugendliche daran zweifeln, dass ihre Zukunft einmal anders sein kann.

„Ich war damals sehr frustriert; ich habe nicht gerne gelernt und auch nicht gerne gearbeitet. Ich konnte mich lange Zeit auf nichts konzentrieren. Ich habe Dinge gemacht, durch die ich mich kurz besser gefühlt habe, aber langfristig waren das keine gute Entscheidungen”, erzählt Mujibur Rahman, der gerade 18 Jahre alte geworden und in Cox’s Bazar aufgewachsen ist.

Er brach die Schule ab und gab auch seine Arbeit als Maurer nach kurzer Zeit auf. Er blieb Abends lange aus, rauchte viel und isolierte sich immer mehr von seiner Familie. Eines Tages besuchte ein Mitarbeiter von IRCs Partnerorganisation „Dustha Shastha Kendra” Mujiburs Familie, um sie über das IRC-Projekt „Safe, Learn to Lead, and Learn to Earn” für Jugendliche zu informieren. Das Projekt wird seit 2021 von IRC und lokalen Partnerorganisationen umgesetzt und erhält Finanzierungen vom Auswärtigen Amt. Nach einem langen Gespräch mit der Familie beschlossen sie gemeinsam, Mujibur für die Aktivitäten im Jugendzentrum anzumelden. In den darauffolgenden Monaten nahm er an Workshops zu Themen wie Selbstachtung, Entscheidungsfindung, Gesundheitsschutz und Führungsqualitäten teil.

Dann sprach mich jemand von IRC an und fragte mich, ob ich am Training teilnehmen wolle. Ich dachte, ich könnte es ja mal versuchen. Schon nach kurzer Zeit fühlte ich mich wieder selbstbewusster.

Die Workshops haben einen bleibenden Eindruck hinterlassen: Mujibur engagiert sich jetzt in mehreren sozialen Arbeitsgruppen, wie dem Katastrophenschutz-Ausschuss und dem Kinderschutzausschuss. Er setzt sich besonders für Kinder und Jugendliche ein und ist Teil einer lokalen Kampagne gegen Kinderheirat und -arbeit. Auch mit seiner Familie hat er wieder ein gutes Verhältnis: 

„Meine Eltern haben sich früher Sorgen um mich gemacht, jetzt sind sie stolz auf mich”, sagt Mujibur.

Neben seinem sozialen Engagement hat er sein eigenes Geschäft für Handy-Reparaturen eröffnet.

Mujibur (rechts) repariert das Handy von seinem Kunden (links).
Mujibur (rechts) repariert das Handy von seinem Kunden (links).

Die Geschichte von Mujibur zeigt, wie wichtig es ist, die Menschen in Cox’s Bazar nicht alleine zu lassen. Jugendzentren, Gesundheitsversorgung, Bargeldhilfe und Anlaufstellen für Opfer von Gewalt können den Alltag von Menschen in Cox’s Bazar maßgeblich verändern. Oft sind es Menschen wie Mujibur, die in der Vergangenheit selbst Unterstützung bekommen haben, die sich später für andere einsetzen und Perspektiven für die Zukunft der Rohingyas in Cox’s Bazar schaffen.

Wie IRC in Bangladesch hilft

IRC unterstützt Rohingya Geflüchtete und andere Einwohner*innen von Cox's Bazar seit August 2017. Mit über 400 Mitarbeitenden in Bangladesch bietet IRC grundlegende Gesundheitsversorgung für die lokale Bevölkerung und die geflüchteten Rohingyas in Cox's Bazar. Zusätzlich implementiert IRC-Projekte im Bereich Kinderschutz, Bildung und Nothilfe. Von Mai 2021 bis April 2023 arbeitete IRC mit dem Auswärtigen Amt zusammen an dem Projekt „Gesundheitsversorgung und Schutzmaßnahmen für Geflüchtete und Gastgemeinden in Cox's Bazar, Bangladesch, und Binnenvertriebene im Rakhine-, Shan- und Kachin-Staat, Myanmar”. Das Projekt wird an fünf Standorten durchgeführt und bietet spezielle Aktivitäten, Schulungen und Beratungsdienste für Jugendliche und junge Erwachsene an.