Anhaltende Gewalt, Bombardierungen und Blockaden führen zu einer katastrophalen humanitären Krise für mehr als zwei Millionen Palästinenser*innen. Alleine die Hälfte davon sind Kinder. Sie haben keinen Zugang zu sauberem Wasser, Essen und lebenswichtiger Gesundheitsversorgung. Sie sind jeden Tag mit Gefahren und den Folgen der Katastrophe in Gaza konfrontiert.

Die gesamte Bevölkerung in Gaza ist von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen. Konkret heißt das, dass die Lage sich laut IPC (Integrierte Klassifizierung der Ernährungssicherheitsphasen) in die Phase 3 „akute Nahrungs- und Lebensmittelkrise“, Phase 4 „humanitärer Notfall“ oder Phase 5 „Katastrophe/Hungersnot“ einstufen lässt. Mehr als eine Million Menschen – die Hälfte der Bevölkerung – ist von einer katastrophalen Hungersnot betroffen.

Trotzdem haben die israelischen Behörden die humanitäre Hilfe in Gaza immer wieder verweigert, eingeschränkt und behindert. Im Februar 2024 kamen weniger Hilfslieferung an als im Vormonat. Ein sofortiger Waffenstillstand und eine deutliche Aufstockung der Hilfsmaßnahmen sind notwendig, um eine weitere Katastrophe zu verhindern. 

Erfahre, warum Gaza nicht genug Hilfe bekommt und wie IRC den betroffenen Palästinenser*innen hilft. 

Wie groß ist der Bedarf an humanitärer Hilfe in Gaza?

Die anhaltende Gewalt, Bombardierungen und Blockaden haben zu einer katastrophalen humanitären Lage für mehr als zwei Millionen Palästinenser*innen geführt. Die Hälfte davon sind Kinder. Sie haben keinen Zugang zu sauberem Wasser, Nahrung und lebenswichtiger Gesundheitsversorgung. Rund 1,7 Millionen Palästinenser*innen, fast 75 Prozent der Bevölkerung, sind seither innerhalb Gazas vertrieben — viele von ihnen sogar mehrfach. 

Seit Oktober 2023 wurden mehr als 33.000 Palästinenser*innen getötet. Davon sind 70 Prozent Frauen und Kinder. Weitere 77.000 Menschen wurden verletzt. Über 100 Geiseln befinden sich noch in Gefangenschaft. Gaza ist derzeit der gefährlichste Ort für Zivilist*innen weltweit. 

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Welche Art von Hilfe benötigen Palästinenser*innen in Gaza?

Die gesamte Bevölkerung Gazas hat derzeit keinen ausreichenden Zugang zu Lebensmitteln. Die Situation im Norden ist dabei besonders katastrophal. Dort ist inzwischen jedes dritte Kind unter zwei Jahren akut mangelernährt. Laut IPC könnte bis Ende Mai 2024 eine Hungersnot eintreten.  

Mangelernährung wirkt sich generationenübergreifend verheerend auf gefährdete Bevölkerungsgruppen aus. Dazu zählen Kinder, schwangere und stillende Frauen, ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen sowie Verletzte. Diese Personen sind besonders gefährdet, an den Folgen mangelnder Ernährung zu sterben. 

Eine Frau schüttet Wasser in die Wasserflasche eines kleinen Mädchens. Drei andere Kinder sitzen in der Nähe und schauen zu.
Palästinenser*innen, die vor israelischen Angriffen fliehen mussten, haben Zuflucht in der Stadt Rafah gesucht. Sie leben in provisorischen Zelten und haben Schwierigkeiten, genug Essen und sauberes Wasser zu bekommen sowie weitere Grundbedürfnisse zu decken. Foto: Abed Rahim Khatib/Anadolu via Getty Images.
Foto: Abed Rahim Khatib/Anadolu via Getty Images

Mahmoud Shalabi, leitender Programmmanager von MAP im Norden Gazas, sagt: „Es gibt nichts mehr auf dem Markt. Die Menschen mahlen Tierfutter und mischen es mit dem wenigen verfügbaren Mehl, um daraus Brot für ihre Kinder zu backen. Die Qualität dieses Brotes ist unglaublich schlecht und selbst das Tierfutter wird auf dem Markt langsam knapp.“ 

„Kinder gehen mit ihren Tellern, leeren Töpfen und Löffeln auf die Straße und rufen, dass sie etwas essen wollen. Wenn die Situation so weitergeht, befürchte ich das Schlimmste: Noch mehr Menschen werden verhungern.“ 

Medizinische Hilfe ist entscheidend, um den Gesundheitsanforderungen gerecht zu werden

Das Gesundheitssystem in Gaza steht kurz vor dem Zusammenbruch. Nur zwölf der 36 Krankenhäuser in Gaza sind weiterhin geöffnet. Sie können Patient*innen zumindest teilweise weiter versorgen, allerdings kann keine der Einrichtungen vollständig betrieben werden. Die wenigen verbliebenen Gesundheitsdienste sind völlig überlastet. Es fehlt an medizinischem Personal und grundlegenden Hilfsmitteln. Die Belastung des Gesundheitssystems führt dazu, dass selbst leicht behandelbare Infektionen tödlich enden können. Krankenhäuser sind derart überfordert, dass nicht alle Patient*innen die notwendige Behandlung erhalten, was zu vermeidbaren Todesfällen führt. 

„Die Gesundheitseinrichtungen vor Ort sind nicht für diese Anzahl an Patient*innen ausgestattet. Kein Krankenhaus der Welt wäre in der Lage, die Versorgung von so vielen Menschen über einen solchen Zeitraum hinweg aufrechtzuerhalten“, sagt Dr. Seema Jilani, Kinderärztin und IRC-Senior Beraterin für medizinische Notfälle. Sie arbeitete als Mitglied des Medizinischen Notfallteams von IRC im Al-Aqsa-Krankenhaus im Zentrum der Region Gaza. 

Seit dem 7. Oktober 2023 hat das israelische Militär mehr als 1400 Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen und medizinisches Personal in Gaza verübt. Jedes einzelne Krankenhaus wurde getroffen. Mindestens 340 Beschäftigte des Gesundheitspersonals wurden nach Angaben des Gesundheitsministeriums getötet und mehr als 160 weitere inhaftiert.  

Ein IRC-Mitarbeiter geht durch ein provisorische Notunterkunft für binnenvertriebene Kinder in Gaza.
Arvind Das, IRC-Notfalleinsatzleiter für Gaza geht durch einen Korridor im European Hospital in Rafah. Das medizinische Notfallteam von IRC und MAP unterstützt Krankenhäuser bei der Versorgung von verletzten Palästinenser*innen.
Foto: Belal Khaled/IRC

Warum kommt nicht genug Hilfe nach Gaza?

Israel blockiert den Zugang zu Lebensmitteln, sauberem Wasser, Treibstoffen, lebenswichtigen Medikamenten sowie medizinischer Versorgung für die Menschen in Gaza. Das hat verheerende Folgen für die palästinensische Bevölkerung.

Im Februar 2024 erreichten rund 2300 Lastwagen Gaza. Das ist ein deutlicher Rückgang im Vergleich zu den etwa 500 LKWs, die täglich vor dem 7. Oktober 2023 eintrafen. Die häufigen und langanhaltenden Schließungen und Blockaden an den Grenzübergängen Kerem Shalom und Nitzana haben den Zugang humanitärer Hilfe erheblich erschwert.

Präsident und CEO von IRC, David Miliband, sprach kürzlich mit der Journalistin Christiane Amanpour vom amerikanischen TV-Sender CNN. Sie diskutierten über die Gegenstände, die als „dual use” (deutsch: Güter mit doppeltem Verwendungszweck) gelten. Das bedeutet, sie können sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke eingesetzt werden und werden deshalb oft abgewiesen:

„Wir sollten uns darüber im Klaren sein, um welche Art von Gegenständen es geht: zum Beispiel eine Schere, die in einem Krankenhaus verwendet werden soll“, sagt er. „In einem der Krankenhäuser in Gaza arbeiten Ärzt*innen, wie zum Beispiel Orthopäd*innen, von IRC. Ihnen fehlen die grundlegendsten Werkzeuge für ihre Arbeit. Wenn die Grenzbeamt*innen in einem Lastwagen eine Schere finden, schicken sie den ganzen LKW zurück.“ 

Als Besatzungsmacht in Gaza hat Israel die Verantwortung, sicherzustellen, dass die besetzte Bevölkerung Nahrung und medizinische Versorgung erhält. Die Blockade des humanitären Zugangs verstößt gegen das humanitäre Völkerrecht. Es ist ein Kriegsverbrechen, 

Zivilist*innen absichtlich hungern zu lassen, indem man ihnen lebensnotwendige Gegenstände vorenthält oder Hilfslieferungen blockiert. 

Eine Frau hält ein kleines Kind vor einem provisorischen Notun in Gaza.
Die Kampfhandlungen und langwierige, bürokratische Kontrollen am Grenzübergang Rafah haben dazu geführt, dass die Hilfslieferungen nach Gaza stark zurückgegangen sind.
Foto: Ashraf Amra/Anadolu via Getty Images

Warum sind Luftabwürfe und der Bau einer Seebrücke unwirksam?

Die Lieferung von Hilfsgütern über Luft- und Seewege ist keine Lösung. Luftabwürfe von Hilfsgütern sind teuer, ineffizient und riskant. Stattdessen wäre es effektiver, mehr Grenzübergänge für Güter und Hilfspersonal zu öffnen, die Bürokratie zu reduzieren, die den Hilfsfluss behindert, und Eingriffe in die Hilfslieferungen zu minimieren.  

„Luftabwürfe und Seewege sind keine Lösung“, sagt Sam Duerden, IRC-Teamleiter für das besetzte palästinensische Gebiet. „Sie decken den Umfang der benötigten humanitären Hilfe nicht ab und können keine Regelmäßigkeit gewährleisten. Auch werden diese Art von Hilfslieferungen nicht den speziellen Bedürfnissen, insbesondere von mangelernährten Kindern, gerecht. Sie sind teurer, ineffektiver und gefährlicher als die Landwege.“  

Ein Waffenstillstand ist notwendig, um mehr als zwei Millionen Menschen Schutz zu bieten und die uneingeschränkte Lieferung von Hilfsgütern zu ermöglichen.

Wie kann mehr Hilfe für die Menschen in Gaza geleistet werden?

Die internationale Gemeinschaft muss dringend einen sofortigen und anhaltenden Waffenstillstand in Gaza durchsetzen. Das ist der einzige nachhaltige Weg, um das Leben von Zivilist*innen zu schützen. Darunter fällt auch die Freilassung aller Geiseln. Alle Kriegsparteien müssen sich an das humanitäre Völkerrecht halten, welches das Hungern von Zivilist*innen als Kriegsmethode verbietet. 

„Mitarbeitende humanitärer Hilfsorganisationen brauchen Sicherheit und Bewegungsfreiheit in Gaza, um mangelernährte Kinder und alle betroffenen Zivilist*innen zu erreichen“, erklärt Duerden. „Nur ein Waffenstillstand und ein ungehinderter Zugang zu Hilfsgütern können das Leiden der Menschen lindern.“ 

Gleichzeitig müssen jetzt Schritte unternommen werden, um die humanitäre Hilfe für Gaza massiv aufzustocken. Denn diese ist auch im Falle eines Endes der Kampfhandlungen von entscheidender Bedeutung. Dazu gehört auch die anhaltende Unterstützung der wichtigen Arbeit, die das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) und dessen Partner leisten. Sie helfen Palästinenser*innen, eine der schlimmsten humanitären Katastrophen unserer Zeit zu überleben.  

Die Jungen stehen in einer Reihe an und warten auf das Essen.
Mehr als 20 Kinder sind in Gaza bereits verhungert. Ein sofortiger und anhaltender Waffenstillstand ist notwendig.
Foto: Mohammed Talatene/picture alliance via Getty Images

Wie unterstützt IRC die Menschen in Gaza?

IRC stützt sich bei der Arbeit im besetzten palästinensischen Gebiet auf die weltweite Erfahrung und Expertise in der Nothilfe sowie langjährige Präsenz in der Region. Lokale Partner leiten den Einsatz in Gaza und IRC unterstützt ihre Arbeit durch finanzielle, technische und operative Hilfe.

Nothilfe

IRC und Medical Aid for Palestinians (MAP) haben mittlerweile vier medizinische Notfallteams entsandt, um vor Ort lebensrettende medizinische Hilfe zu leisten. Dazu zählt die direkte medizinische Versorgung in Krankenhäusern und die Verteilung von medizinischer Ausstattung und Medikamenten. Das Team besteht aus Traumaärzt*innen, Chirurg*innen, Kinderärzt*innen sowie Expert*innen für Katastrophenhilfe.

Psychologische Unterstützung für Kinder

In Zusammenarbeit mit Anera arbeitet IRC daran, palästinensischen Kindern wichtige psychologische und psychosoziale Unterstützung zu bieten. Wir verfolgen einen Ansatz, der die Bedürfnisse von Kindern im Alter von vier bis 18 Jahren in den Fokus stellt. Dazu gehören Therapiemaßnahmen wie Spiele, Kunst und die Schulung wichtiger grundlegender Fähigkeiten. Unsere Aktivitäten sind darauf ausgelegt, Kindern zu helfen, ihre Erfahrungen zu bewältigen, ihre Kreativität zu fördern und wichtige Kompetenzen für die Zukunft zu entwickeln. Dadurch werden auch ihre Heilung, Widerstandsfähigkeit und ihr emotionales Wohlbefinden gefördert. Indem wir eine sichere und unterstützende Umgebung schaffen, zielen wir darauf ab, die langfristigen Auswirkungen von Krisen zu mindern. 

IRC hat auch eine Partnerschaft mit Nafs geschlossen, um ein mobiles Gemeindezentrum zu gründen. Dieses Zentrum bietet marginalisierten Gruppen, insbesondere Kindern, im Westjordanland und Gaza psychische und psychosoziale Dienste an. 

Medizinische Hilfsgüter

IRC hat 46 Tonnen Arzneimittel und andere medizinische Hilfsgüter geliefert. Zusammen mit unseren Partnerorganisationen verteilen wir diese Hilfsmittel an Krankenhäuser und Kliniken, um lebenswichtige Gesundheitsdienste zu unterstützen. Dazu gehören (psychopharmazeutische) Medikamente für Kinder und Traumabehandlungen. Diese basieren auf den identifizierten Bedarfen vor Ort und sind mit anderen Gesundheitsakteuren in Gaza abgestimmt.

Ein Lastwagen mit von IRC beschafften Hilfsgütern ist auf dem Weg nach Gaza.
Die von IRC beschafften medizinischen Hilfsgüter treffen in Gaza ein. Sie werden an Krankenhäuser und Kliniken verteilt, um die lebenswichtige Gesundheitsversorgung vor Ort zu unterstützen.
Foto: IRC

Unterstützung für vertriebene Familien

In Zusammenarbeit mit der palästinensischen NGO Juzoor for Health and Social Development leistet IRC vertriebenen Menschen gesundheitliche und psychologische Unterstützung. Außerdem ermöglicht IRC Familien und Kindern Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen. Durch diese Zusammenarbeit kann IRC Gesundheitsdienste, psychosoziale Unterstützung und Bargeldhilfe in mehr als 20 Notunterkünften in Gaza anbieten.

IRC und Taawon (Welfare Association) haben sich zusammengeschlossen, um dem akuten Hunger in Gaza entgegenzuwirken. Besonders betroffen sind Familien in Rafah, im Süden Gazas, wo über eine Million Menschen vertrieben wurden. Im Rahmen des Projekts erhalten diese Familien Lebensmittel, die ihren Bedarf an wichtigen Nährstoffen, Vitaminen und Mineralien zu decken, und somit der akuten Bedrohung durch Mangelernährung vorbeugen. Dabei konzentrieret IRC sich besonders auf vulnerable Gruppen wie Kinder und ältere Menschen. Die Betroffenen können so ihre begrenzten finanziellen Ressourcen eher für die Gesundheitsversorgung oder andere grundlegende Bedürfnisse statt für Lebensmittel verwenden.

Wie kann ich Palästinenser*innen helfen?

IRC arbeitet mit Partnerorganisationen zusammen, um wichtige Nothilfe für Familien in Gaza und in Konfliktgebieten weltweit zu leisten.

Spende jetzt, um unsere Arbeit zu unterstützen.

Wir leisten aktiv lebenswichtige Hilfe für Menschen in über 50 Ländern, die von Krisen betroffen sind, darunter auch Länder der Emergency Watchlist 2024.  

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