Das globale Hilfssystem verändert sich rapide: Während humanitäre Bedarfe stetig zunehmen, werden verfügbare Mittel immer knapper. International Rescue Committee (IRC) ruft zu einer Neuausrichtung der Auslandshilfe auf – mit einem Fokus auf die am stärksten gefährdeten Menschen weltweit. Sie leben in Ländern, wo Konflikte und Klimawandel den humanitären Bedarf in die Höhe treiben und gleichzeitig sind dort immer mehr Menschen von extremer Armut betroffen. IRC warnt: Ohne einen grundlegend neuen Ansatz, wo und wie Hilfe geleistet wird, drohen Millionen Menschen ohne die bestmögliche Unterstützung zu bleiben – und jahrzehntelange Fortschritte für Menschen in Krisengebieten könnten zunichte gemacht werden.

„Wir können uns einer neuen Ära der Auslandshilfe nicht verweigern – für Menschen in Not,  Hilfsorganisationen und Geberregierungen. Um Fortschritte trotz geringerer Finanzmittel aufrechtzuerhalten, müssen wir die Arbeit dort priorisieren, wo sie am dringendsten benötigt wird und die größte Wirkung entfalten kann“, sagt David Miliband, Präsident und CEO von IRC. „Dies erfordert ein neues Verständnis, wo und wofür Hilfsbudgets eingesetzt werden, wie Hilfe geleistet und finanziert wird.

Der humanitäre Bedarf konzentriert sich zunehmend auf fragile, konfliktbetroffene Staaten. Doch Mittel für Auslandshilfe werden nicht nur gekürzt, sondern sollen auch zu viele Ziele auf einmal erreichen. Dies untergräbt den Kern humanitärer Hilfe: lebenswichtige Hilfe dort zu leisten, wo sie am dringendsten benötigt wird und so den Weg für nachhaltige Entwicklung zu ebnen. Der neue IRC-Bericht „A New Era for Aid“ (Eine neue Ära der Auslandshilfe) skizziert konkrete erste Schritte für eine neue, zielgerichtete Ausrichtung der internationalen Hilfe:

Fokus auf die am stärksten gefährdeten Länder: IRC hat 13 Länder identifiziert, die am stärksten von den Auswirkungen der weltweiten Hilfskürzungen betroffen sind. Die Auswahl basiert auf Faktoren wie humanitärem Bedarf, Abhängigkeit von US-Auslandshilfen, Schuldenlast sowie Anfälligkeit für Konflikte und Klimaschocks. Dazu zählen Afghanistan, Burkina Faso, Zentralafrikanische Republik, Tschad, Demokratische Republik Kongo, Äthiopien, Haiti, Mali, Mosambik, Somalia, Südsudan, Sudan und Jemen. In diesen Ländern verstärken sich Krisen wie extremer Hunger, Unterernährung, Armut, Gewalt und Vertreibung gegenseitig. Obwohl in diesen Ländern mehr als ein Viertel der extrem armen Weltbevölkerung lebt, erhielten sie 2023 weniger als zehn Prozent der öffentlichen Auslandshilfen (Official Development Assistance, ODA). Weitere acht Länder – darunter Kamerun, Libanon, Myanmar, Niger, Nigeria, das besetzte palästinensische Gebiet, Syrien und Ukraine – sind ebenfalls erheblich gefährdet und benötigen stärkere internationale Unterstützung. All diese Länder sind Teil der IRC Emergency Watchlist 2025 – eine Auflistung der Staaten, in denen sich 2025 humanitäre Krisen voraussichtlich am stärksten verschlechtern oder neu entstehen werden.

Finanzierung bewährter und wirksamer Maßnahmen:Angesichts der knappen Finanzmittel ist es entscheidend, auf bewährte kosteneffiziente Maßnahmenin allen Sektoren zu setzen. Nur so kann sichergestellt werden, dass Gelder gezielt eingesetzt und ihre Wirkung maximiert werden. Dazu gehören unter anderem folgende Ansätze:

Lokale humanitäre Akteure stärken: Lokale Helfende spielen eine entscheidende Rolle bei der wirksamen Umsetzung humanitärer Hilfe und nachhaltigem Wiederaufbau, v.a. weil sie die Bedarfe der betroffenen Gemeinden am besten kennen. Um lokale Akteure grundlegend zu stärken, braucht es einen Systemwandel, der das humanitäre System stärker auf die lokale Ebene ausrichtet. IRC verfolgt diesen Ansatz mit dem sektorweit anerkannten PEERS-Partnermodell.

Verfügbare Finanzierungen mit höchster Wirkung einsetzen: Angesichts der drohenden  weiteren Kürzungen von Auslandshilfen sollten vorhandene Mittel gezielt so eingesetzt werden, dass sie am meisten bewirken. Flexibilität, Mehrjährigkeit und Partnerschaften mit lokaler Verankerung müssen dabei im Mittelpunkt stehen. Es sollten alle verfügbaren Wege geprüft werden, um neben der traditionellen Auslandshilfe über ODA zusätzliche Mittel  bereitzustellen – zum Beispiel durch Finanzierungsmechanismen wie Versicherungsansätze für Klimarisiken und Schuldenumwandlung. Dabei sollte sichergestellt werden, dass besonders betroffene Länder vor allem Unterstützung in Form von finanziellen Zuschüssen erhalten, und nicht als Kredite, die ihre Schuldenlast erhöhen.